Dissection - Reinkaos

Review

Zugegeben, nach dem unterirdischen „Maha Kali“ hab ich nicht mehr viel auf DISSECTION gegeben, zumal sich Herr Nödtveidt in sämtlichen Interviews eher beharrlich darauf konzentriert hat, die Welt zu missionieren, und für seine MLO die Werbetrommel zu rühren. Chaos hier, Deibel da, um was anderes ging es kaum. Dass der Fokus da wirklich noch auf der Musik gelegen haben soll, ist nun umso fraglicher, da nach den Auftritten diesen Sommer ja Sense sein soll mit DISSECTION. Jon hat seinen musikalischen Masterplan erfüllt, muss vielleicht einsehen, dass auch ohne so zahnlose Zuwortmeldungen wie „Maha Kali“ die Welt schon chaotisch genug ist, als dass man da mit bösen Satansreimen noch viel beitragen könnte.

Auch wenn viele – einschließlich mir – nicht mehr damit gerechnet haben, haben es DISSECTION doch tatsächlich geschafft, ein ordentliches Album auf die Beine zu stellen. „Reinkaos“ ist eine eingängige, melodische Scheibe mit coolen Songs geworden, die allerdings nur noch in Versatzstücken nach DISSECTION klingt. Was „Maha Kali“ bereits angedeutet hat, bewahrheitet sich auf „Reinkaos“ gleich noch einmal: DISSECTION klingen nicht mehr wie DISSECTION, sondern eher nach einer Mischung aus älteren IN FLAMES und SWORDMASTER, der ehemaligen Band von Jons Bruder Emil (DEATHSTARS). Von der unheimlich finsteren, bedrohlichen Atmosphäre eines „Storm Of Light’s Bane“ ist dagegen nichts übrig geblieben. Es war zu erwarten, dass der Schatten dieses Überalbums nicht nur für andere Bands, sondern auch für DISSECTION selbst zu lang sein würde, als dass man je aus ihm hervortreten könnte. Vielleicht war sich Jon dessen auch bewusst, und hat deshalb die Flucht – nun ja, nicht unbedingt nach vorne – aber immerhin zur Seite angetreten. Denn mit der ursprünglichen musikalischen Ausrichtung hat „Reinkaos“ nichts mehr zu tun. Der Sound hat sich deutlich hin zum traditionellen Heavy Metal, teilweise sogar mit Hard Rock-Zügen und zu thrashigeren Stakkato-Riffs entwickelt; der immanente Groove und das Schunkelfeeling von früher sind perdu. Paradoxerweise betreibt die Band textlich allerlei satanische Reimerei und wirft mit Beschwörungsformeln und bösen Glaubensbekenntnissen nur so um sich. Wie das zum gutgelaunten Melodienfest mit seinen super eingängigen Twinguitarsalven und den beschwingten Göteborg-Strukturen passen will, soll mir mal jemand erklären. Immerhin können wir von Glück sagen, dass man die Häftlinge in Schweden anscheinend Gitarre spielen lässt, anstatt ihnen ein Keyboard vorzusetzen. Nicht auszudenken, wenn „Reinkaos“ wie Herrn Vikernes’ letzte Fingerübungen geklungen hätte! Gewohnt formidabel sind demnach die schicken Soli, die „Reinkaos“ zuhauf bietet, die das Album in der Konsequenz allerdings nur noch melodischer, gefälliger und unböser machen.

Trotz aller Neuerungen im Sound wagt man sich trotzdem nicht ganz ohne Sicherheitsnetz auf neuen Boden, sondern hangelt sich mit dem Akustikgitarren-Interludium „Chaosophia“ und dem aus „Unhallowed“ bekannten Strophen-Riff in „Starless Aeon“ an Altbewährtem entlang. Die chaotische Sophia steht somit in der Tradition von „Feathers Fell“ oder „Into Infinite Obscurity“ und zeigt, dass die Band auch heute noch durchaus in der Lage ist, erhabene Atmosphäre zu erzeugen. Leider beschränkt die sich auf 41 Sekunden.

Zum Abschluss gibt es noch einen Aufguss des wohl unvermeidlichen „Maha Kali“, der dank besseren Sounds, etwas verfeinerter Darbietung und zusätzlicher Details zwar erträglicher ist als die Single-Version, im Endeffekt aber dennoch partout nicht zur Band passen will. Dass „Maha Kali“ im Gesamtkontext des Albums nicht großartig heraussticht oder negativ auffällt, spricht allerdings Bände. Die alten DISSECTION sind tot. Die neuen auch bald, aber wenigstens haben sie vor ihrem Ableben noch ein überraschend gutes IN FLAMES-Album herausgebracht. Das reine Chaos hinterlassen sie damit allerdings nicht.

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31.05.2006

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18 Kommentare zu Dissection - Reinkaos

  1. countraven sagt:

    Tja, was soll man von dem Din halten… Für eine Dissection-Platte doch arg enttäuschend, wenn man Storm of… oder The Somberlain im Ohr hat. Aber für ein Melo-Death Album schon ein tolles Ding… Also 6 oder 8 Punkte? Da bin ich mal salomonisch…

    5/10
  2. zigor sagt:

    ich lebe in einer welt voll DUR! 😉

    5 Punkte für diesen mageren abgang… ich bin enttäuscht… MAAAAAAAAAAMAAAAAAAAAHAKALI WA JUNGE ECHT JEZZ

    5/10
  3. nihil77 sagt:

    Wenn nicht Dissection draufstehen würde…würde man nicht glauben, wer hinter dieser Scheibe steht. Nicht unbedingt schlecht. Aber wer die Klassiker kennt, wird hier maßlos enttäuscht. Stilwechsel wirkt fehl am Platze, auch weil man nur andere Bandeinflüsse verarbeitet und nichts Neues entstehen lässt. Tja, da hat wohl jemand im Knast die Entwicklung im Metal außerhalb seiner Gitterstäbe nicht mitbekommen…

    6/10
  4. Anonymous sagt:

    Eine geile Scheibe von vor bis hinten, bester Melodeath überhaupt, ausgenommen meine Faves von Dark Tranquillity. Die Rezensenten sollten Lordi, Wixxtaler Schützen oder ihren Fön hören, kommt aufs selbe raus, hat irgendjemand erwartet, dass Jon nach 13 Jahren noch das gleiche macht?!? Er wagt ein vollkommen anderes, allerdings gleichwertig-qualitatives Werk, eben traditioneller, mit Black-Einflüssen nur noch in den (geilen) Vocals, ansonsten HM-lastiger, mit klaren sauber gespielten Soli, Übersongs wie Black dragon, Dark Mother devine, Starless Aeon oder dem Opener, auch Kali ist ein sehr guter Song geworden, druckvoller als die Single… Und der Rest ist ebenso 1A (fragt den Dark S), insofern würde ME 10 geben… wenn da nicht die Aussicht auf ’ne Steigerung wäre, denn… Dissection werden doch weitermachen, wie Emperor, Immortal, Einherjer… zumindest hat das Jon selbst neulich verlauten lassen, mit anderen Mitmusikern vllt, aber was solls, dann gibts 2009 die 10 Punkte für ‚Return of Night’s blood at unfathomless depths‘.

    9/10
  5. dark summoning sagt:

    Ein geniales Teil, kann mich meinem Vorredner in allen Punkten anschließen. Dennoch gilt für alle Fans von Dissections altem Material: UNBEDINGT PROBEHÖREN!!! Mit Somberlain oder Storm of … hat die Scheibe nicht viel gemeinsam. Völlig anderer Stil, aber trotzdem hammergeil.

    9/10
  6. emperorofdoom sagt:

    Also ich kann mich meinen beiden Vorrednern nur anschließen. The Somberlain und Storm of the light´s bane warn geniale Alben, ohne Frage, aber mit Reinkaos ist ihnen ein, in meinen Augen, absolutes Meisterwerk gelungen. Natürlich hat es nicht mehr viel mit den alte Dissection zu tun, so dass man vielleicht den Bandnamen hätte ändern sollen. Songs wie Chaosophia, Beyond the horizon, Starless Aeon und natürlich mein Liebling Dark Mother Divine sind absolute Kracher. Daumen hoch!

    10/10
  7. Anonymous sagt:

    Hater sich doch echt abgemurkst der kerl…war wohl traurig, dass er kein neues "Storm of…" hinbekommen hat. 😉
    der tod is keine lösung, aber naja, so tritt er seinen fans wenigstens ein letztes mal ins gesicht *öhöm*
    ich kann mich mit der CD nicht wirklich anfreunden, weil mich die alten tage der band doch zu sehr geprägt haben und ich nix anderes hören will…Naja, immerhin hab ich die band aufm wacken 05 nochmal live gesehen, auch wenn ich ein wenig enttäuscht war…nie vergehen werden songs wie The Sumberlain, Black Horizons, Night’s Blood, Unhallowed oder Where dead Angels Lie

    4/10
  8. the oath of the goat sagt:

    also mit alten dissection kann man das nicht mehr vergleichen, das stimmt schon. aber wenn man mal davon absieht ist die neue scheibe als gesamtkunstwerk zu betrachten. und deshalb auch die volle punktezahl. hier geht es um mehr als nur die musik. jon nödtveidt lives forever!

    10/10
  9. Anonymous sagt:

    Melodik passt nicht zu "bösem satansgereime"? Religiöse Musik war schon immer melodiös, hypnotisch und eingängig. was soll man sich drüber auslassen, wenn man unzufrieden ist, dass Dissection nicht mehr klingt wie vor 11 Jahren? Kauft doch was anderes. Gibt ja genug Pseudo-true-Black-Metal. Reinkaos ist satanische Klangkunst und die religiöse Überzeugung von Nödtveidt zu kritisieren: gibts keine anderen Hobbys? Geile Band, geile Alben! Und den Freitod eines Menschen in die Lächerlichkeit zu ziehen entspricht einem sehr infantilem Geist. Heil DISSECTION!!! 10 Punkte

    10/10
  10. lootz sagt:

    Das Album finde ich grandios! Sehr geile Melodien und überhaupt nur ganz wenige schwächen auszumachen, eine davon wäre für mich die Rhythmik die in manchen songs doch sehr ähnlich ausfällt, aber sonst bin ich höchst begeistert. Es hat zwar etwas gedauert bis es gezündet hat, da ich zu der zeit was anderes erwartet hatte … aber mittlerweile DAUMEN HOCH!

    9/10
  11. Anonymous sagt:

    Das Teil taugt meiner Meinung nach gar nix und kann nicht ansatzweise gegen "Storm Of The Light’s Bane" anstinken, zumal der Stil auch anders (und viel langweiliger) geworden ist. Noch dazu hat Jon Nödtveidt das Album dazu benutzt, um die Propaganda seines lächerlichen MLO-Zeugs zu verbreiten. Ein Glück, dass er sich den Schädel weggepustet hat.

    2/10
  12. pr0phecy sagt:

    Wahrlich, um Jon selbst ist es wirklich nicht traurig, schade nur das er jetzt keine Musik mehr schreiben kann:) und ich nicht mehr die Möglichkeit habe Dissection mal live zu sehen. Die Band wächst zur Zeit sehr schnell in den Kreis meiner engsten Favouriten rein.
    Zu Reinkos:
    Ich komme mit der Platte gut klar. Großartige Melodien und coole Bangeinlagen!
    Auch die Atmosphäre ist da…, wenn auch weit weniger als früher, dennoch ist es eine großartige Platte und ein würdiger Abschuluss der Discographie dieser bemerkenswerten Band. ReinkaΩs, Omega, Ende.

    9/10
  13. xXx-Oimel-xXx sagt:

    Unzählige Male habe ich „Reinkaos“ schon gehört. So richtig warm geworden bin ich damit nie…finde die CD jetzt aber auch nicht so schlimm. Am Gesang gibt es nichts auszusetzen, an der Gitarrenarbeit eigentlich auch nichts. Aber das Drumming ist unter aller Kanone. Es dümpelt in der ersten Hälfte immer im selben monotonen & simplen Takt & ist dann zu weit im Hintergrund gemischt (wo zur Hölle ist die Bassdrum?). Das versaut einem echt die ganze Platte. Schade, denn sonst wäre mir „Reinkaos“ 7-8 Punkte wert gewesen. Zum Glück wird´s zum Ende hin besser.

    7/10
  14. Michael sagt:

    Reinkaos ist ein absolutes Meisterwerk von dunkler spiritueller Kunst. Sicherlich kein Album, das nur zum headbangen und saufen dient. Die Lyrics haben eine unglaubliche poetische Tiefe, mit der man sich auseinandersetzen sollte. Hier geht es um weit weit mehr, als stumpfen Satanismus. Anders als SOTLB, welches eigentlich direkt und knallhart ins Ohr geht, wächst Reinkaos langsam aber stetig mit jedem Durchlauf. Die Musik ist keineswegs simpler als auf den alten Werken, sondern weitaus komplexer und epischer. Zudem sei angemerkt, das es „The Devil’s Blood“ ohne dieses Album niemals gegeben hätte, da Selim Lemouchi Reinkaos als das beste, größte und wichtigste Metal Album aller Zeiten bezeichnet hat. Gut nachvollziehbar! 11/10

    10/10
    1. Oli sagt:

      „Reinkaos“ ist für mich über die Jahre definitiv auch gewachsen und hat eine ganz andere Ebene offenbart als die doch etwas simplere Musik erst vermuten lässt.

      Ein großes Album!

      9/10
    2. doktor von pain sagt:

      Ein Spinner, der dem Misanthropic Luciferian Order angehört und sich umgebracht hat, sagt über einen anderen Spinner, der dem Misanthropic Luciferian Order angehört und sich umgebracht hat, er habe das größte und wichtigste Metalalbum aller Zeiten aufgenommen? Ja, das klingt sogar logisch.

      1. BlindeGardine sagt:

        Hmm aber der Lemouchi war doch soweit ich weiß gar nicht beim MLO, auch wenn der in seinen Ansichten natürlich nah dran und dahingehend ein ziemlicher Spinner war. Vor allem aber halt psychisch krank, wobei das vermutlich beide waren. Was die „Reinkaos“ angeht, die finde ich weder so kacke wie sie viele reden, noch so toll wie sie manch einer anpreist. Die Rezension trifft es eigentlich ganz gut: ein überraschend gutes In-Flames-Album. Nur will/wollte man das halt von Dissection eher nicht hören^^.

  15. Yannick Andrle sagt:

    Ich verstehe nicht, warum viele immer erwarten, dass eine Band immer die gleiche Musik macht. Kein Musiker mit Selbstrespekt bleibt ewig stehen. Klar ist dies andere Musik als die vorherigen. Na und? Es gibt wenig klassische Melodeath Alben, die mich so mitgezogen haben – sehr wenige. Von daher finde ich sowohl die Songs als auch das Album genial. Ich bin eigentlich recht froh, dass wir kein SotLB II bekommen haben. Wäre wahrscheinlich nicht sonderlich beeindruckend geworden. Ich hab‘ alle Alben der Band in meiner ewigen Bestenliste. Ich lösche normalerweise 9/10 Songs aus meiner Playlist. (von den wenigen Alben, die ich überhaupt zweimal höre). Und Dissection haben es geschafft, mit ihren gesamten Alben komplett vertreten zu sein. Kann die Alben alle empfehlen.

    10/10