Dir En Grey - Withering To Death

Review

Die Völkerverbindung Deutschland – Japan war schon immer (zumindest seit 1945) von großem freundschaftlichen Respekt geprägt. Wir Deutschen haben uns ihre Kampfsportarten importiert, das sympathische Ländchen Asiens unseren Baumkuchen, und wer mal die Entwicklungsgeschichten einiger einheimischer Bands betrachtet, findet heraus dass Japan am Heranwachsen mittlerweile legendärer Truppen nicht ganz unbeteiligt war (siehe BLIND GUARDIAN). Nun wissen aber immerhin einige von uns schon lange dass auch Japan etliche großartige Pop-, Rock- und Metalbands vorzuweisen hat, die der westlichen Kultur zumindest insofern überlegen sind, dass sie erstens nicht zu flachen Produkten reicher Produzenten ausgebildet werden, und zweitens als Musterbeispiel für Individualismus etliche verschiedene Musikrichtungen zusammenschmeißen und sich nur selten in eine Schublade stecken lassen.
So wie auch Dir En Grey. Die fünf Japaner hatten noch nie Probleme damit ihren frühen Dark Metal / Hardcore mit brachial lärmenden Funkeinlagen aufzulockern, den Gesang von zärtlich-flüsternd bis kranker-als-Jonathan-Davis-es-je-gewesen-ist zu variieren, oder einfach mal das halbe Booklet auf russisch zu schreiben. Während man im westlichen Teil der Welt so einer Band bloße Selbstdarstellung vorwerfen würde (was man auch garantiert hier tun wird), hat die Truppe in ihrem Heimatland einen mittlerweile legendären Status erreicht und auch in Deutschland viele (paradoxerweise überwiegend weibliche) Fans gefunden. Ihr erster Auslandsaufenthalt in der Columbiahalle in Berlin dieses Jahres war binnen 72 Stunden ausverkauft, und so lag der Plan recht nahe ihr aktuelles Album auch in Deutschland rauszubringen…
Womit wir auch schon in der Gegenwart angelangt sind. Die Entwicklung der Band hat sich konstant fortgeschritten, die Lieder kommen mit meist 3einhalb Minuten schon recht früh auf den Punkt, der Dark Metal Anteil wurde weiterhin zugunstem brachialstem Hardcore zurückgeschraubt, und wieder kann man etliche Einflüsse anderer Musikrichtungen problemlos heraushören. Da man den Sound aber dennoch nicht so wirklich beschreiben kann (und den Gesang erst recht nicht), bleibt wohl niemandem etwas anderes übrig als in die Scheibe reinzuhören, um sich ein eigenes Bild zu machen.
Die wohl eingängigsten Songs sind dabei die singletauglichen Melo-Rocker „The Final“ und „Kodou“, abgesehen von einigen ruhigen psychodelischen Akustikballaden wie „Dead Tree“ oder „Higeki ha mabuta wo oroshita yasashiki utsu“ (Übersetzungen an: Joneleth@metal.de), die angenehmerweise auch einige japanische Musikelemente aufgreifen. Was speziell dieses Album, im Gegensatz zu den ebenfalls großartigen Vorgängern aber so besonders macht, ist die Tatsache dass aus dem oben erwähnten Hang zum jazzigen Funk eine glasklare RocknRoll Schlagseite gewachsen ist die ich in dieser Art Musik noch nie gehört habe und in arschgeilen Songs wie „Jesus Christ R’n R“ oder „Machiavellism“ explodiert. Als Kritikpunkte kann man festhalten, dass man den Song „Garbage“ anno 2000 bereits besser als „audrey“ auf der ‚Macabre‘ gehört hat, und dass der Bass auf dem japanischen Original das rezensiert wurde eindeutig ne gute Spur zu laut abgemischt wurde. Etwas schade, denn so geraten die beiden Gitarren bei ihren gut gelaunten Schrubbereien leider zu oft in den Hintergrund – ein Glück dass man diesen Fehler bei jeder handelsüblichen Stereoanlage nachjustieren kann.
Fazit: ‚Withering to Death‘ ist ein weiteres Ausnahmealbum einer unglaublich eigenständigen und ungewöhnlichen Band, welches mit Hilfe eines finanziell gut betuchten Major Labels wohl ähnlich in der westlichen Hemisphäre einschlagen sollte wie diverse erste Alben von KORN oder SLIPKNOT. Ich bedaure zwar den Schritt von komplexen epischen Songstrukturen zu knappen 3-minütern, aber der Qualität tut das beim besten Willen keinen Abbruch. Bleibt zum Abschluss nur noch zu hoffen dass demnächst auch der Backkatalog fröhlich promoted in Deutschland veröffentlicht, und Dir En Grey damit kein Einzelfall bleiben wird.

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28.11.2005

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2 Kommentare zu Dir En Grey - Withering To Death

  1. narrenkappe sagt:

    natürlich ist es oberflächlich, selbstdarstellerisch (wie so ziemlich die komplette visual kei-szene) und musikalisch gesehen ein zusammenkopierter mischmasch, der künstlerisch kaum auf einer höheren ebene als das meiste sonstige j-pop zeugs zu sehen ist, aber die mucke sorgt ebenso für kurzweiliges hörvergnügen und weiß auch in technischer hinsicht zu überzeugen.

    6/10
  2. horowitz sagt:

    WWWOOOAAAHHHRRROOAARRRHH!!!

    9/10