Diamond Head - It's Electric

Review

„Sucking My Love“, „It’s Electric“ „The Prince“, „Helpless“ oder das grandiose „Am I Evil?“ – irgendwo sind sie jedem schon mal über den Weg gelaufen, diese fünf Stücke Heavy Metal-Historie und höchstwahrscheinlich wird es wohl im Gewand der einschlägigen METALLICA-Coverversionen gewesen sein. Wer aber wirklich hinter den Originalen steht, wird wohl nur wenigen bekannt sein, gehören sie doch zu denjenigen Bands, die die Geschichte gnadenlos mit Nichtbeachtung strafte. 1980 nämlich geschah es, da eine junge, hungrige Formation namens DIAMOND HEAD ein ebenso erstklassiges wie verkanntes (übrigens nie offiziell benanntes) Album unter dem Titel „Lightning To The Nations“ veröffentlichte…und sich somit zur Speerspitze der NWOBHM aufschwang. Warum allerdings IRON MAIDEN im gleichen Jahr mit ihrem selbstbetitelten Debut den Grundstein für ihre einzigartige Karriere legten, DIAMOND HEAD jedoch heute größtenteils allerhöchstens noch Zeitzeugen, Musiklexika oder METALLICA-Fans bekannt sind, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben. Fest steht, dass es 1985 nach drei Alben auch schon wieder vorbei war und man die kurzzeitige Reunion Anfang er 90er wohl lieber aus den Geschichtsbüchern streichen würde. Nun aber war es so, dass man sich 2002 erneut zusammenfand, letztes Jahr das fünfte Studioalbum in fast 30 Jahren Bandgeschichte veröffentlichte und dieses Jahr mit dem vierten Live-Album flankiert von einer baugleichen Live-DVD aufwartet, und zwar mit der 2005er-Show aus dem Londoner Astoria. Selbstverständlich spielte man dort bis auf einen Song den kompletten „Lightning To The Nations“-Klassiker und gar vom neuesten Werk „All Will Be Revealed“ finden sich ganze vier Songs, um auch dem heute angegrauten Publikum von damals das neue, nicht besonders zugkräftige Material schmackhaft zu machen.
Die Frage ist nur: wer braucht es heute noch? Nach einer so langen Abstinenz vom Business ist es doch verquer, ja geradezu lächerlich, den (erneuten) Versuch zu starten, die Magie alter Anfangszeiten wieder aufleben zu lassen, als es nach Aufbruch, neuen Ufern und kneifenden Spandex roch. Und wenn man es streng genau nimmt und dann noch gemein ist, gehörten DIAMOND HEAD offiziell auch nie dazu. Es ist nichts Profanes wie die etwas schmucklose Aufmachung oder die Produktion, die von einem State-Of-The-Art-Status genauso weit weg ist wie DIAMOND HEAD vom Weltruhm, die die Doppelveröffentlichung in blassem Licht erscheinen lässt. Es ist eher das gebrochene Herz und die daraus resultierende Herangehensweise an einen verlorenen Traum, auf Teufel komm raus den immer verweigerten doch rechtmäßig gebührenden Ruhm zu erhalten, auch wenn dieses Mal gar ein Gründungsmitglied die Sinnlosigkeit der Retourschleife erkannt hat. Es sind diese alten Männer, traumatisiert vom Verlust von etwas, was sie nie besessen haben, die unbedingt etwas erzwingen wollen, das ihnen niemand zu geben vermag, und vor lauter verbissener Entschlossenheit fast das Bewegen auf der Bühne vergessen, auf dass Kamerawinkel und –Fahrten jene künstlich erzeugen müssen. Es ist die Identifikationsfigur Brian Tatler, einzig verbliebener Originaldiamant, dem es eine Qual ist zuzusehen, wie er das mit Fehlern gespickte und unsauber vorgetragene Solo zu „Am I Evil?“ seiner magischen Wirkungskraft beraubt. „It’s Electric“ ist die offene und nie völlig freigelegte Ausgrabungsstätte fünfer Artefakte, von denen einer nicht mal dem Alter nach ein wirkliches ist. Wenn der stimmlich weiche und farblose Jungspund Nick Tart den Dinosaurier Sean Harris zu beerben versucht, so mag seine solide, gewollte aber nicht immer gekonnte Leistung mit einigen unüberhörbaren Patzern temporär die Aufmerksamkeit des geneigten Hörers erhaschen – Harris’ Authentizität zu ersetzen vermag sie aber nicht und schon gar nicht zu der Glaubwürdigkeit des Gesamtunternehmens beizutragen. Und wenn jener Nick Tart in einem von maximal 200 Köpfen nicht mal voll besetzten Club vehement positive Publikumschöre fordert, als wolle er für eine Revolution unglaubliche Massen begeistern und mobilisieren, die gar nicht anwesend sind, dann ist es nicht ein Beweis für seine jugendhafte Unerfahrenheit und etwaige Realitätsverkennung – sondern nur noch von Hilflosigkeit geprägt, traurig und nicht mehr als bemitleidenswert. Eine unnötige Demontage einer Legende, die nie wirklich eine war.

29.09.2006
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