Diablo Swing Orchestra - Swagger & Stroll Down The Rabbit Hole

Review

Hype kann tödlich sein für die allgemeine Wahrnehmung des betreffenden Mediums, gerade wenn dieser ungebremst in die höchsten Höhen getrieben wird.  Case and point: Das schwedische DIABLO SWING ORCHESTRA hat es aber auch spannend gemacht. Lange Zeit wurde der Nachfolger von „Pacifisticuffs“, das mittlerweile auch schon vier Jahre auf dem Buckel hat, Social-Media-wirksam angeteasert, nun ist das Album endlich da – und erst einmal brechen hitzige Diskussionen über den Sound des neuen Albums „Swagger & Stroll Down The Rabbit Hole“ aus, der übrigens vom „Sing-Along Songs For The Damned & Delirious“-Produzenten Roberto Laghi stammt.

Des Teufels Tanzorchester stolziert einfach über seinen Schönheitsfehler hinweg

Das ist natürlich nicht ganz abwegig, denn die Produktion ist wirklich gewöhnungsbedürftig und wirkt teilweise etwas eingeengt. Wenn die Saitenfraktion zum Beispiel nicht gerade wie in „Saluting The Reckoning“ bewusst nur warm angezerrt durch diesen Vintage-artigen Gothic-Surf-Rocker schwoft, der ein bisschen so klingt als hätten UNTO OTHERS mal einen Tag am Strand in Klangform eingefangen und dabei Dick Dales „Misirlou“ auf der Zunge gehabt, klingt sie ein bisschen blechern und unsauber, durchaus (bewusst?) an den Sound speziell des Debüts „The Butcher’s Ballroom“ erinnernd. Und besonders gegen Ende von „The Prima Donna Gauntlet“ gerät das Klangbild hörbar an seine Grenzen.

Und ja, es wurden schon ganze, gefühlte Folianten zu diesem Thema volldiskutiert. Aber das schöne an einem Album wie „Swagger & Stroll Down The Rabbit Hole“ ist, dass der Sound schnell vergeben und vergessen ist angesichts eines Albums, das einfach viel zu viel Spaß macht, als dass man ihm diesen Schönheitsfehler lange übel nehmen könnte. Praktisch mittlerweile auf Crossover-Pfaden mindestens mit dem Aktionsradius der „King For A Day“-FAITH NO MORE unterwegs, spielen DIABLO SWING ORCHESTRA etwas, das man vermutlich am besten als Big Band Metal bezeichnen kann, der gefühlt im zwielichtigen wie glamourösen Cabaret-Club zu Hause ist und wieder einmal die Sause des Lebens abfeiert, fast so als wäre man mittendrin statt nur dabei.

Keulenschwinger, Dramatik, Feuer – das DIABLO SWING ORCHESTRA hat an alles gedacht

„Pandora’s Piñata“ markierte ein bisschen den Punkt in der Karriere der Schweden, an dem der Sound so richtig glamourös aufgeblüht ist. Es war aber auch das letzte Album mit Annlouice Loegdlund, deren klassisch ausgebildeten Sopran natürlich erst einmal ersetzt werden musste. Gesagt, getan: Mit „Pacifisticuffs“ debütiert Kristin Evegård mit einer moderneren Stimmfarbe, die mehr nach Musical denn nach Oper klingt, die aber mit einer ebenfalls ausgesprochen energetischen und theatralischen Darbietung brilliert. Und es funktionierte wunderbar, „Pacifisticuffs“ war ein Einstand nach Maß. Und es müsste mit dem Gehörnten zugehen, wenn die Schweden diese Steilvorlage nach all dem Hype, den sie für ihr neues Album aufgebaut haben, links liegen lassen würde.

Rhetorische Frage natürlich, zumal unsereins die Klasse des neuen Albums bereits vorweg genommen hat. Durch den Sound muss man sich natürlich trotzdem erst einmal kämpfen, was einige Durchläufe in Anspruch nehmen kann. Das Ding hört sich dann aber wunderbar fest, geht beim Sport oder im Auto aufgrund seiner ansteckenden Energie runter wie Öl und treibt zu Höchstleistungen und -geschwindigkeiten an – und ehe man sich’s versieht, hat sich die Platte auch schon in der Playliste festgebissen. Musikalisch lässt sich das Gebotene dabei gar nicht mal so sehr über einen Kamm scheren, auch wenn die stilistische Ausrichtung – Metal mit dynamischer Gesangs-Doppelspitze bestehend aus Evegård und Daniel Håkansson, Bläser, Streicher und dergleichen Schweinereien mehr, Big Band Metal eben – gleich geblieben ist.

„Swagger & Stroll Down The Rabbit Hole“ birst vor Kreativität und Abwechslung

Die stilistischen Ausflüge, die hier unternommen werden, gehen aber noch ein bisschen weiter als zuvor, sodass sich das „SWING“ im Bandnamen allein kraft „Malign Monologues“ eine gewisse Alibi-Funktion behält, zumindest bis der Track gegen Ende nach kurzer, leicht progressiver Tangente in einen ungarischen Tanz ausartet. Und die Fiedel hat sogar richtig Hummeln im Hintern. Von Selbstsicherheit nur so strotzend betitelt ist der „Jig Of The Century“, ein überlebensgroß inszenierter – nun ja – Jig, bei dem man sich direkt nach der ersten Hook nach angeheitertem Geschunkel in der irischen Spelunke sehnt. Und diese Harmoniewechsel ins Moll-lastige und zurück fügen zusätzlich Dramatik hinzu, nur um die folgende Hook noch eine Nummer kathartischer wirken zu lassen.

Ihre obligatorische Portion Latin-Liebe zeigen DIABLO SWING ORCHESTRA unterdessen diesmal stilecht en español auf „Celebremos Lo Inevitable“, das zwischen einer sinnlichen Rumba und feurigen Metal-Ausbrüchen mit romantischer Harmonieführung praktisch fliegend wechselnd. Fast ein bisschen auf Industrial möchte „Out Came The Hummingbirds“ hinauslaufen, nur um für die Hook dann den Schlenker rechtzeitig hin zum retrofuturistischen Disco-Pop zu machen. Großes dramatisches Kino wird dann mit „Les Invulnérables“ aufgefahren, mit dem die Schweden wohl noch am ehesten dem symphonischen Metal nahe kommen und dabei das cineastische Flair klassischer Agentenstreifen gekonnt einfangen.

Das DIABLO SWING ORCHESTRA hat ein kleines, eklektisches Meisterstück abgeliefert

Lange Rede, kurzer Sinn: Traumwandlerisch jonglieren sie wieder einmal mit den Stilen. Und dadurch gelingt es ihnen auch, über den produktionstechnischen Schönheitsfehler hinweg restlos zu begeistern und erneut ein kleines, eklektisches Meisterstück darzubieten. DIABLO SWING ORCHESTRA haben einfach das Feuer, aber auch das Können, um so eine wilde Stilmischung funktionieren zu lassen, was auf „Swagger & Stroll Down The Rabbit Hole“ zu beweisen war und hiermit bewiesen worden ist. Es wird auf dem Weg zur Zielgeraden so eine gewaltige Bandbreite an Einflüssen abgedeckt, wobei die Kernelemente des Bandsounds stets klar erkennbar in den Mittelpunkt gerückt werden. Und der gesangliche Kitt von Evegård und Håkansson hält alles zusätzlich noch souverän beieinander.

Wie die das immer wieder schaffen … Unglaublich!

16.12.2021

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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