Wüsste ich es nicht besser, ich würde das schwedische DIABLO SWING ORCHESTRA für eine weitere unfassbar bunte und talentierte Finnen-Extremcrossover-Kapelle halten. Denn eigentlich kann solch eine abgefahrene Mischung aus Metal, Jazz, Progrock, Neoklassik und Filmmusik nur von einer Band aus dem Land der tausend Saunen kommen.
Andererseits gelten finnische Bands häufig und gerne als etwas verschroben, wenn man beispielsweise an die wunderbaren ALAMAAILMAN VASARAT denkt. Das ist das DIABLO SWING ORCHESTRA beileibe nicht: Ihre Musik wirkt, vor allem durch den wunderbaren Soprangesang von Annlouice Loegdlund, im positiven Sinne großspurig und ist direkt auf den Tanzflächen der großen Ballsäle beheimatet.
Ballsäle? Tanzen?
Man mag sich jetzt verwundert fragen, was das eigentlich mit Metal zu tun hat, da echte Metaller ja nicht tanzen. Nun ja, der Opener „Voodoo, Mon Amour“ gibt darauf ziemlich schnell die Antwort: Da vermischt die Combo Bigband-Swing mit einem heftig groovenden Metal-Unterbau, so dass man den Quickstep alsbald abbrechen wird, um die Matte kreisen zu lassen. Gleiches gilt für „Guerilla Laments“, das Sambarhythmus und mexikanische Trompeten gegen Neothrashriffs auffährt. Und dabei ziemlich eingängig ist. Das DIABLO SWING ORCHESTRA schreckt aber auch nicht vor Merkwürdigkeiten zurück – wie sonst sollte dieser japanische Kinder-/Mainzelmännchen-/sonstwas-Chor in „Black Box Messiah“ zu deuten sein? Dann doch lieber die „Exit Strategy Of A Wrecking Ball“ – proggige Siebensaiterriffs und ein geigenverschmalztes Interludium inklusive. Schick! Mit „Aurora“ wagt das Orchester einen Ausflug in die Welt der Operette (nein, nicht Musical, denn dafür ist allein der Gesang zu gut), und in „Mass Rapture“ folgt es dem Pfad von Indien durch den Orient in elektronische Ländereien. Dort landet man ebenfalls beim Rausschmeißer „Justice For Saint Mary“, nachdem man bereits alle Stiletappen abgeklappert hat. DIABLO SWING ORCHESTRA goes THE PRODIGY.
„Pandoras Piñata“ ist ein Parforceritt durch alle möglichen Stile, traumwandlerisch sicher und äußerst gelungen. Und gar nicht so verproggt, wie manch einer vielleicht befürchten mag. Als Beispiel dafür dienen die eingängigen Stücke am Anfang, aber die vielschichtigeren, längeren Songs am Ende des Albums machen ebenfalls eine gute Figur – weil bei ihnen die Nachvollziehbarkeit Priorität genießt.
Und wer sich aus welchen Gründen auch immer in Tanzsälen unwohl fühlt, wird sich vielleicht wundern, wenn er am Ende in einem Kinosessel Platz genommen hat. Wie gesagt, auf „Pandoras Piñata“ wechseln sich – teils halsbrecherisch offensichtlich, teil subtil – verschiedenste Stile ab, und so hat auch Filmmusik ihren Platz auf dem Album. Zu welchem Film auch immer: bei „Pandoras Piñata“ ist eben alles möglich. Vielseitig, bunt, wunderbar!
Kommentare
Sag Deine Meinung!