Devin Townsend - Devolution #3 – Empath Live In America

Review

Wer immer noch nicht weiß, dass DEVIN TOWNSEND mit „Empath“ einen absoluten Überhammer veröffentlicht hat, hat den Schuss noch nicht gehört. Die Scheibe hat zwar bereits einige Jahre auf dem Buckel, doch stellt so etwas wie den Zenit im Schaffen des Kanadiers dar. Das aktuelle Album „Lightwork“ klingt deutlich abgespeckter und versucht gar nicht erst seinen Vorgänger zu übertreffen. Es wäre natürlich eine Schande, wenn die Tour zu einem so monumentalen Album kein Live-Dokument erhalten würde. Glücklicherweise liefert man uns mit „Empath Live In America“ bereits die zweite Scheibe, die zu diesem Zweck veröffentlicht wurde. Wer sich jetzt fragt, was der Gehalt einer einfachen Live-CD, geschweige denn von solch einem Overkill von Veröffentlichungen sein soll, sollte weiterlesen.

DEVIN TOWNSEND: Der Witzbold aus Kanada

Wer mit der quirligen Art von DEVIN TOWNSEND vertraut ist, weiß, wie humorvoll die Shows des Kanadiers sein können. Da wird schon mal zugegeben, dass es bei diesem oder jenen Song „um nichts Spezifisches“ oder „furzende Hodensäcke“ geht. Äh ja… Der Grund, warum DEVIN TOWNSEND nie ein A-Promi geworden ist, liegt nun mal in seinem Nischenhumor. Wer zum Lachen in den Keller geht, wird diesem Live-Dokument sowie der Persönlichkeit des Prog-Maestros nichts abgewinnen können.

Es ist sehr schade, dass sich viele vom Humor und der inflationären Veröffentlichungspolitik dieses Künstlers abgestoßen fühlen. „Live In America“ erinnert uns nämlich wieder daran, welche Schätze in der Townsend-Diskografie verborgen liegen. Die Fähigkeit, ätherische Prog-Sounds mit hartem Metal zu verbinden, ist ein Kunststück, welches auf „Hyperdrive!“ mit Bravour gemeistert wird. „Ih-Ah!“ brilliert live sogar noch mehr als in der Studioversion. Obwohl die Empath-Tour eine gigantische Produktion aufwies, fällt es auf, wie viel Raum für Improvisation die Show bietet.

Nicht nur ein Livealbum, sondern ein Lifealbum

Mittlerweile bestehen viele „Livealben“ fast nur aus intensiv bearbeiteten Studioaufnahmen, denen man ein bisschen Gejubel beigemischt hat. In Zeiten, in denen man sterile Produkte aus dem digitalen Labor als „Live“ verkauft, macht es wirklich Spaß, „Empath Live In America“ zu hören. Das durch Covid ausgehungerte Publikum lacht, grölt, jubelt, ruft dazwischen und amüsiert sich prächtig. Man bekommt nicht nur eine kleines Best-Of geboten, sondern spürt regelrecht, wie die Normalität in das Leben der Menschen zurückkehrt.

DEVIN TOWNSEND ist ein echter Meister darin, mit seinem Publikum zu interagieren. Doch seine äußert gut eingespielte Band ist der Faktor, der „Live In America“ das I-Tüpfelchen aufsetzt. Die exzellent betitelte „Fuck Around Section“ zeigt deutlich, wie viel Lebenskraft und Spielfreude auf dem Silberling vorhanden sind. Die drei Backgroundsängerinnen füllen das Klangbild exzellent aus und machen es möglich, dass die Songs in Versionen dargeboten werden, die den Studioaufnahmen mehr als gerecht werden.

Zu viele Veröffentlichungen?

Die schiere Masse der Releases von DEVIN TOWNSEND macht die Frage, ob sich die Anschaffung lohnt, sehr schwierig. Wir sprechen von einem Künstler, der sich sogar dazu hinablässt, seine Gitarrenübungen und lieblos dahingeklatschte Ambientprojekte zu releasen. Ein qualitativ hochwertiges Livealbum wie „Empath Live In America“ leidet darunter, dass es bereits unzählige weitere Livealben Townsends gibt, die teilweise genau so gut oder noch besser sind. Sollte man wirklich zugreifen, wenn man weiß, dass es in absehbarer Zeit eh wieder ein Live-Dokument geben wird, welches umfassender und noch schöner verpackt sein wird? Die besten Werke des kanadischen Tausendsassas werden leider unter zu viel Gerümpel begraben.

 

 

22.09.2023

Werbetexter und Metalhead aus NRW.

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