Solomusiker sind so eine Spezies für sich. Es gibt Exemplare, deren Kontaktanzeige „Mainbrain sucht fähige Sklaven, möglichst telepathisch talentiert“ drängen sich dir in jedem Spar-Markt auf. Andere wiederum penetrieren monatelang ihr Oberstübchen mit wissentlich niemals realisierbaren, aber garantiert revolutionär klingenden Ideen-Fetzen und begraben sich schließlich ernüchtert in Vattis Gemüsebeet, um ihre Profilneurose bestmöglich zu kompensieren. Ferner schließlich gibt es da noch die Gattung Gitarristen, die vermuten, eine Gitarre in einer Band sei so etwas wie ein Harald Schmidt in der Harald Schmidt-Show, das Main Element, dem es nur ein paar lausiger Rekruten bedarf, die bei Unzulänglichkeit aber getrost durch den eigenen Genius kompensiert werden können. – Keinem dieser angeführten Stereotypen möchte ich den vorliegenden Interpreten zuordnen, der sich hinter „Deviated Presence“ verbirgt. Deutlich ist auf diesem Demo wahrzunehmen, wie ein begnadeter Musiker, ohrenscheinlich ein Gitarrist, an seine Grenzen stößt, wenn die weniger geschulten Fertigkeiten an Schlagzeug und Mikrofon gefordert werden. Dabei sind es nicht mal das eben durchaus beachtliche Geschick an den artfremden Gerätschaften, das die Probleme bereiten könnte, sondern, wie eben so oft bei dieser gestraften Spezies, die definierten Ambitionen, die auch hier nicht gerade bescheiden gesteckt wurden. Jedoch beeindruckt „Fall’s Passage“ durch einen doch bemerkenswert geglückten Spagat, denn die drei gebotenen Stücke wirken keinesfalls verstümmelt, allenfalls nicht voll entfaltet. Während die Gitarre, wie zu vermuten, das wichtigste und gelungenste Glied der Kette verkörpert, schmiegt sich – der Bonus jedes Solisten! – der Rest der Instrumentierung homogen und wie aus einem Guss an die Saiten-Vorgabe, wobei nur in schwachen Momenten des Schlagzeugs deutlich wird, wer hier wen an die Hand nimmt. Veranstaltet wird hochkomplexer, melodischer Todes-Dampf, welcher natürlich durch die Demo-Produktion in Punkto Hasskraft etwas in seine Schranken verwiesen wird, aber durch seine vielschichtigen und interessanten Arrangements in nahezu jedem Moment mitzureissen weiss. Verschlungene Rhythmen (Anfänger ist unser untersuchtes Exemplar auch am Schlagzeug beileibe nicht!) lassen mich aufmerksam dem Strom der Takte folgen, die aggressiven Death-Vocals verleihen dabei den deftigen Schwung. Kleine Schreckmomente halten noch einige Cleanvocal-Passagen bereit, aber hier und da ein Abrutschen der Intonation kann nicht über die vorzüglichen Melodiebögen hinwegtäuschen, die den Tracks eine immense Ration Melancholie in Moll zu verleihen wissen. Dieses beständige Auf und Ab, dieses hasserfüllte Getriebenwerden und anschließende Auffangenlassen von den Weiten einer sanften Melodie ist es, was ich an Bands wie Opeth liebe. Und wenn „Deviated Presence“ den bekanntlich nicht ganz hürdenfreien Weg zu einer voll qualifizierten Mehr-Kopf-Band finden, um die adäquate Umsetzung der begnadeten Ideenkraft zu gewährleisten, werden sie ihren (mutmaßlichen) Vorreitern dicht auf die Fersen geraten! – Wer also eine rotzige Demo-Aufnahme nicht scheut und möglicherweise schon vor Jahren meinte, den Glauben an überdurchschnittliche Musiker aus der deutschen Rock-Unterwelt aufgeben zu müssen, sollte sich für 3,50 € von diesem Irrglauben kurieren lassen. – Schlussendlich möchte ich „Fall’s Passage“ als eines der wert- und hoffnungsvollsten Demo-Recordings bezeichnen, die mir seit Anbeginn meines schreiberischen Aktivismus‘ zugespielt wurden!
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