Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Es ist mal wieder Zeit für Leichenstahl aus dem Land der Elche und damit für eine ganz besondere Band. Die Stockholmer DESULTORY klingen einerseits unfassbar typisch nach Schweden Anno 1994 und unterscheiden sich andererseits doch erheblich von den üblich verdächtigen Nachbarn und Kollegen. Von ENTOMBED und GRAVE übernahmen sie die tiefen, rohen und HM2-getränkten Gitarren; von DISMEMBER und UNANIMATED die epischen (in der Regel von MAIDEN beeinflussten) Lead-Gitarren und Melodien. Dazu waren vor allem hinsichtlich Gesang und Schlagzeug deutliche Spuren von Crust Punk, Hardcore und Thrash Metal zu vernehmen – fertig ist ein außergewöhnliches, konsistentes und mit großer Melancholie gesegnetes Album, das im Bandkontext bedauerlicherweise unerreicht bleiben sollte.
Schweden-Death-Klassiker der zweiten Reihe: “Bitterness”
“Bitterness” ist das zweite Album von DESULTORY. Deren Debüt “Into Eternity” ließ sämtliche Trademarks bereits erkennen, ist aber um ein Vielfaches ungezügelter, roher und thrashiger. Zudem wurde die – immer noch nicht optimale – Produktion für “Bitterness” stark verbessert, die alles in allem typisch nach dem Stockholmer Sunlight Studio von Thomas Skogsberg tönt. Wie es sich für schwedische Produktionen aus den Neunzigern gehört, ziert außerdem ein Artwork des ehemaligen GROTESQUE-Gitarristen Kristian “Necrolord” Wåhlin das Cover.
“Bitterness” weist außerdem die eingangs erwähnte, typische Melancholie früher skandinavischer Alben auf, die auch die frühen DARK TRANQUILLITY, IN FLAMES und Co. auszeichnete. Liegt wahrscheinlich am durchschnittlich sehr jungen Alter der Bandmitglieder, die in ihren frühen Zwanzigern wohl noch von einigem restpubertären Weltschmerz geplagt waren. Dieser in Verbindung mit den in jedem Song auftauchenden elegischen Melodien sorgt dafür, dass jeder Song ein stimmungsvolles kleines Meisterwerk ist.
Besonders hervorzuheben sind der Opener “Life Shatters”, das ruppige “Left Behind” sowie “Taste Of Tragedy” und “Among Mortals”. Der unumstößliche Hit der Platte ist jedoch das getragene und mit Wahnsinns-Melodien veredelte “Winter”. Die Gitarrenarbeit steht der melodischen Göteborg-Schule in nichts nach, der passende Text ist von bittersüßer Schönheit. Obwohl viele Bands zu jener Zeit die Synthese von extremeren Metal-Genres mit klassischen Melodien des Heavy Metals erstrebten und dabei Großartiges erreichten, gelang DESULTORY mit ihren ersten beiden Alben, besonders aber auf “Bitterness” eine völlig eigene Identität, die wie keine zweite Band klingt.
Die letzte Großtat von DESULTORY
Leider sollten sich DESULTORY ihre Klasse nicht allzu lang bewahren. Vielleicht waren hier Alter und Reife der Kreativität doch abträglich? Der 1996er Nachfolger “Swallow The Snake” jedenfalls schielt stark in Richtung der damaligen, Trends setzenden Entwicklung von ENTOMBED und spaltete die Fangemeinde mit groovigen Death-‘n’-Roll-Riffs und der völligen Abstinenz der ehemals markanten Depri-Parts. Mit “Counting Our Scars” (2010) und “Through Aching Aeons” (2017) fand die Band zwar zum ursprünglichen Stil zurück, wirkte streckenweise aber deutlich uninspiriert und lasch, sodass sich DESULTORY 2017 auch folgerichtig auflösen. Haltet deshalb nach “Into Eternity”, vor allem aber nach “Bitterness” Ausschau. Beide Alben werden auch regelmäßig auf Vinyl neuaufgelegt. “Bitterness” zuletzt 2022 über Floga Records.
Tolles Album einer Band, die es nie geschafft hat aus dem Schatten der heiligen Quadriga herauszutreten und trotz größeren Labels in der Fülle der Schwedentodbands etwas unterging, obwohl sie es geschafft haben einen relativ eigenständigen Sound zu kreieren. Mir persönlich gefällt das Debut etwas besser, und auch die neueren Scheiben nach der Reunion 2009 kann sich als Fan des schwedischen DM gerne reinziehen, weil qualitativ waren auch die immer mindestens solide. Nur das 96er Output kann man sich getrost sparen. Der Schaffenskrise des DM mitte der 90er und der Fülle an mittelmäßigen bis schlechten Releases konnten Desultory leider auch nicht entkommen. Schön, dass es Desultory in diese Rubrik hier geschafft haben.
Bester Song ist und bleibt ‚Left behind‘!
Exkurs: Bands gleichen Stils, die zehn, respektive fünf Jahre später den rohen MD hätten wiederbeleben können, aber leider ebenfalls komplett untergingen, waren Eternal Lies und Withered Beauty. Meine Fresse bin ich alt 🤦♂️😂
Bei dem Album muss ich Superlative zünden. Ein Meisterwerk! Läuft seit fast 30 Jahren mit großer Regelmäßigkeit und verliert seinen Charme nie. Definitiv in meiner ALL TIME TOP 10. Die anderen 3 Alben (Swallow ignorier ich einfach) sind auch sehr geil, wobei da natürlich die Into Eternity die Nase klar vor den beiden „Neuen“ hat. Wer was mit Melodien im DM anfangen kann und die Band nicht kennt (sind leider viel zu viele), sollte die Bildungslücke zügig schließen.
Exkurs#2: Passt hier vllt nicht ganz optimal hin, aber wenns schon um Bands geht, die unterm Radar geflogen sind, will ich Internal Decay mal noch in den Ring werfen. „A Forgotten Dream“ war ’93 ein grandioses Stück DM mit viel Melodie, auch schon mit Keyboard Einsatz, und wenn ich mich weit aus dem Fenster lehne, würde ich sagen, dass hier auch schon ein Stück weit die „Something Wild“ von Children of Bodom vorweg (wer will, findet auch Parallelen zu den ersten 2 Amorphis Alben) genommen wurde, die dann ihrerseits den Markt für diesen rohen Melodeath aufgefressen haben in der Entwicklung hin zum Power Metal w/ Harsh Vocals.
Addendum: hab mir im Zuge der Review hier das Album mal wieder zu Gemüte geführt, und es ist noch besser als ichs in Erinnerung hab. „Left behind“ ist ein fucking killer !
Kleines Meisterwerk 👌
Zum niederknien! Zum Ausklang der Hochphase des Death-Booms vllt etwas zu spät um ganz groß zu werden. Was bleibt is’ne Elchtod Perle