Despise - Indefinite Force

Review

Haltet den Dieb! Da läuft er! Aufhalten! Der hat sich den ganzen SLAYER-Katalog geklemmt! Wieso zeigt keiner Zivilcourage… Scheiße, nu isser weg! Wieso hatte ich auch meine Turnschuhe nicht an… Mist!
Wenn das mit METALLICA-Zeugs passiert wäre, hätte Herr Ulrich schon ne ganze Rotte Anwälte auf „Seek And Destroy“ geschickt…

Und was haben DESPISE mit ihrem Diebesgut angestellt, nachdem sie es sicher nach Griechenland gebracht und dort ne Zeitlang gebunkert haben? Richtig! Nachdem die Ware nicht mehr heiß ist, einfach auf ne Platte geknallt und unters Volk geschmissen. SLAYER sind aber auch so was von blöde, sich rund zwanzig (20!!!) Jahre lang ins Songwriting-Säckel greifen zu lassen, denn DESPISE treiben ihre Ideenbeutelschneiderei ganz schön weit.

Auf vorliegendem Silberling (wer hat eigentlich DIE Umschreibung für CD erfunden?) ist nämlich so alles von „Hell Awaits“ bis „Seasons In The Abyss“ verbraten worden, was das griechische Trio so abgreifen konnte. Die ersten vier Songs entstanden von ’94 bis ’96 und fußen dementsprechend auf „South Of Heaven“ und eben „SITA“ Riffs. Und das so unzweideutig, dass man meinen möchte, irgendwelche Songfetzen der Originale vorgesetzt zu bekommen, die Ende der 80er/Anfang 90er im Proberaum liegen geblieben sind.
Zwar bemühen sich die Langfinger im weiteren Songverlauf um ein eigenes Gesicht… aber das ist noch pickelig und fettig; sprich die Chose ist unausgereift. Zu belanglos blubbert das Material zielsicher am Hörer vorbei. Zudem versprüht der Fronter eher Monotonie als Charisma. Auch die Soli bekommen die Originale heutzutage nervenschonender hin. Was ein Gequieke! So kann man im Grundsatz gute Riffs auch zerschießen.
Das ändert sich jedoch mit Track Nummer Vier, der eher in Richtung „Reign In Blood“ schielt und einen treibenden, wenn auch Welten von den hehren Vorbildern entfernten Thrasher darstellt.

Nach einer viel zu langen Kunstpause, die aufzeigen soll, dass wir nun noch älteres Material in Form des bereits veröffentlichten Demos „State Of Brutality“ geboten bekommen, poltern noch mal vier Stücke aus den Boxen, die zwischen ’86 und ’91 geschrieben wurden. Bei denen standen dann eben „Hell Awaits“ und „RIB“ Pate.
Und die zwei Platten können die Griechen besser abkupfern. Hier ist das Songwriting etwas zwingender und der Shouter ist noch eher darum bemüht, einen Tom Araya zu kopieren, so dass er keine Gelegenheit findet, mit fürchterbarer Eintönigkeit zu quälen. Streckenweise klingt das Ganze sogar so gut wie die SLAYER-Songs, die ONSLAUGHT damals für ihre „The Force“ LP entwendeten.

Außerdem haben sich DARK ANGEL auch so Einiges abknöpfen lassen, so dass DESPISE zumindest bei den uralten Songs nicht wie eine 100% -Totschläger-Kopie daherkommen. Der Sound ist entsprechend schrammelig und trägt viel zum Old-School-Feeling der restlichen vier Songs bei. Es mag ne ganze Menge Bands geben, die die Altmeister besser kopieren, doch einen gewissen Charme kann man der ganzen Sache sicher nicht absprechen.

Außerdem hat das Trio ein gewaltiges Paket Info-Material geschnürt und die vermeintlich wichtigen Stellen artig mit Textmarker angestrichen. Wahrscheinlich für den eiligen Rezensenten. Neben Interviews und ner Menge Reviews zum alten Demo aus aller Herren Länder ist sogar eine Liste Bands aufgeführt, die mal Songs von DESPISE zu hören bekommen haben und es dann auch mochten. Also wenn man da mal nicht überzeugt ist.

Wer also schlechtere SLAYER-Songs sucht, die aus der besseren Zeit der Amis stammen KÖNNTEN, kann getrost mal ein Ohr riskieren.

Und an die altgedienten Thrash-Metal-Bands da draußen: passt auf eure Songwriting-Börse auf!

28.11.2006

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