Es gibt Kultalben, die in den Anfängen einer Musikepoche Genregrenzen überschritten haben, heute aber schon oft genug kopiert und verbessert wurden, und es gibt Kultplatten im Sinne unsterblicher Tonaufzeichnungen die heute eher verwässert als wirklich erreicht werden. Die legendäre „Pyromania“, die 1983 für DEF LEPPARD nicht nur die Geburt ihres ureigenen Stils, sondern auch ihres internationalen Erfolges bedeutete, ist eindeutig in zweitere Kategorie einzuordnen. Während man in der englischen Heimat einen Höheflug des NWOBHM mit ihren Göttern IRON MAIDEN zelebrierte, hämmerten die tauben Leoparden eine Rockplatte aus dem Stein, die deutlich mehr Eier hat, als ihre gesamte heutige Konkurrenz.
Und nein, ich rede nicht von dem grungigen BON JOVI Gedudel, das die Band in der Neuzeit ausgezeichnet hat, sondern von einem stilumfassenden rauen Gitarrensound der an keiner Ecke balladesk oder glattgebügelt klingt. Aber nicht nur damit sind sie den heutigen Vertretern ihres Genres voraus: Der Opener „Rock Rock (Till You Drop)“ demonstriert auf beeindruckenste Weise wie lebendig und überraschend Hard Rock doch sein kann. Der mächtige Effekt, wenn aus einem hymnischen simplen Powerchordintro urplötzlich ein wahnsinnig gottgroovendes Hardrockn’rollriff rausgeprügelt wird, war nämlich nicht nur damals verdammt modern, er überzeugt heute immer noch aufs neue. Ich brauche die unzähligen zeitgenössischen Bands gar nicht erst extra aufzählen, die sich davon eine Scheibe abschneiden könnten.
Aber das ist ja erst der Anfang. Das folgende „Photograph“ konterkariert den Opener in einem überraschend clean groovenden Gewand und bedeutete damals nicht zu unrecht den weltweiten Singledurchbruch dieser Band. Ein weiteres Highlight stellt dann der Superohrwurm „Foolin'“ dar. Wenn auf der Strophe die Pre-Bridge, darauf die eigentliche Bridge und abschließend der stark rockige Refrain folgt, und ein jedes dieser Songelemente sich selbst immer wieder aufs neue entwickelt und kontrastiert ohne dem Lied damit den Zusammenhang zu nehmen, ist das nichts anderes als ein kompositorisches Meisterwerk. Der Lobesrausch endet damit aber noch lange nicht, denn mit dem folgenden „Rock Of Ages“ gibt ein weiterer verdienter Klassiker dieser Platte ihren unabsprechbaren Reiz. Ebenso wie das muntere „Action! Not Words“ und der düstere Abschlusssong „Billy’s Got a Gun“.
Kurz: Die „Pyromania“ hat damals ein Ausrufezeichen in diesem noch recht jungen Genre gesetzt, das auch heute noch der Konkurrenz schwere Hürden vorsetzt. Zusammen mit der „Hysteria“ gehört diese Platte in absolut jedes Rockregal.
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