„Adrenalize“, das 92er-Album von DEF LEPPARD, zeigt die Band deutlich verändert. Der Verlust mehrerer Bandmitglieder im Verlauf der Jahre, Rick Allens Unfall, bei dem er einen Arm verlor und trotzdem weiterhin Schlagzeug spielte, und nicht zuletzt der permanente Druck, der auf einer erfolgreichen Band lastet, haben aus den vor Spielfreude brennenden Rockern von „Pyromania“ und „Hysteria“ eine relativ satt klingende Veteranentruppe gemacht.
Zumindest klingt „Adrenalize“ über weite Strecken so. Da hilft auch der programmatisch motivierende Titel nicht viel – in meinem Hormonhaushalt tut sich nichts, wenn ich das Album höre. Dabei ist die Platte sicherlich nicht schlecht – was ihr jedoch fehlt, sind wichtige Zutaten: Unbedarftheit, Unerfahrenheit, Wille, Kraft, Kantigkeit. Bösartig gesagt: „Adrenalize“ könnte genauso gut ein BRYAN-ADAMS-Album sein, so brav und poporientiert ist die Platte. Sogar im Detail sind extreme Parallelen zu dem kanadischen Charthelden zu erkenne. Was an „Adrenalize“ noch Rock ist, ist im Prinzip eine 1:1-Kopie der Hits der beiden Vorgängeralben, bei der die Riffs leicht variiert und von einem großen Teil ihrer Eier befreit sind. Deshalb klingt „Adrenalize“ gesetzt und ziemlich kitschig, und insgesamt meinem Geschmack nach schlicht viel zu weichgespült. Andererseits kann man DEF LEPPARD diesen Sound nach über zehn Jahren Rock-’n‘-Roll-Vollgas auch nicht verübeln.
Wie sehr die Band damals mit ihren Selbstzweifeln und damit zu kämpfen hatte, ein neues Album auf die Beine zu stellen, thematisiert übrigens auch der im sehr hübschen Booklet abgedruckte Essay. Die Botschaft darin ist klar: auch Rock-Superstars mit 20 Millionen und mehr verkauften Alben sind nur Menschen, die mit sich und ihrem Leben zu kämpfen haben. Deshalb ist „Adrenalize“ auch eher ein nachdenkliches Album mit klarer AOR-Zielgruppe (mit einigen Songs, die auch als Ü30-Dosenöffner taugen könnten), das trotz seiner Harmlosigkeit einen gar nicht geringen Qualitätsstandard hält. Das ist aller Ehren, aber nicht zwingend das Zücken des Geldbeutels wert. Daran ändert auch die bedenkliche zweite CD nichts, die neben vier Livesongs ansonsten nur eher lahme Akustik-, Demo- und Liveversionen enthält, die man nicht einmal als Sammler besitzen muss.
Hormonhaushalt nicht in Schwung? Also kein Hans-Peter, schade. DEF LEPPARD sind eigentlich immer ganz netter Kitsch. Selbst wenn sie an Jürgen Marcus und Fred Bertelmann erinnern.