Es kommt nicht von ungefähr, dass dem „Spinal Tap“-Film nachgesagt wird, er orientiere sich in einigen Details sehr an der Karriere von DEEP PURPLE. Ein Karrierestart, der tief im schnulzigen Poprock der 60er verwurzelt ist, spätere persönliche Differenzen zwischen Gitarrist und Sänger, Line-Up-Wechsel noch und nöcher (auch wenn PURPLE-Drummer Ian Paice meines Wissens bisher nicht explodiert ist), größenwahnsinnige Touren, Rockstargehabe, ein ganzer Stab an persönlichen Manager und Assistenten – die Liste der Parallelen ist durchaus lang.
„History, Hits & Highlights“ ist demnach soetwas wie das reale Pendant zu „Spinal Tap“, eine Sammlung teils unveröffentlichen Filmmaterials, die einen Überblick über die Geschichte einer der größten englischen Rockbands bis zu ihrer ersten Auflösung bieten soll. Auf der chronologisch aufgebauten ersten der beiden DVDs findet sich daher zunächst eine knapp halbstündige Dokumentar-History, zusammengeschnitten aus verschiedenen Clips, Zeitungsausschnitten, Kommentaren usw., die einen oberflächlichen und für den Kenner nicht durchschaubaren Rundumschlag durch die ersten neun Jahre DEEP PURPLE bildet. Soweit ist das nett.
Danach folgt eine Kollektion teils wirklich atemberaubend lustiger Clips, unter anderem aus dem Beat Club, aus Playboy TV und anderen Fernsehlegenden der frühen 70er Jahre. Rod Evans in einem Kostümchen mit gelber Hose, das ihn als Mischung aus Lt. Uhura und Bully Herbig (oder Mr. Spock?) entlarvt, lenkt kurzzeitig von der ansonsten fast durchgehend guten Songauswahl ab. Aus der MK I-Phase sticht besonders „Hush“ hervor, die lange MK II-Phase ist u.a. mit tollen Fernsehkonzert- oder Live-Clips zu „Mandrake Root“, „Speed King“, „Black Night“, „Child in Time“ und natürlich „Smoke On The Water“ vertreten. Die relativ kurzlebigen MK III- und MK IV-Besetzungen aus den Jahren ’73-’76 sind nur mit vier Stücken auf der DVD bedacht, darunter eine schreckliche Liveversion von „Burn“ und eine fast ebenso furchtbare von „Mistreated“. Sicher hat sich David Coverdale in späteren Jahren gut gemacht (auch wenn er einer Legende wie seinem offensichlichen Vorbild Robert Plant niemals das Wasser gereicht hat), aber zu Anfang seines Engagements bei DEEP PURPLE finde zumindest ich seine Performance unerträglich. Die fast zweieinhalb Stunden Videoclips sind also vor allem in der mittleren Phase interessant, davor und danach in erster Linie selten und kurios.
Die zweite DVD ist vor allem als Bonus zu sehen, weil sie wenig spektakuläre weitere Mitschnitte aus den auf DVD 1 schon gezeigten Sendungen zeigt, neben drei qualitativ ziemlich mauen Livemitschnitten von ’69/’70 unter anderem zwei Probesessions für einen Rockpalast-Auftritt von „No No No“, in der vor allem Ritchie Blackmores unfassbar alberner Hexenhut und seine süße Schnute sehenswert sind. Eine uninteressante französische und eine weit bessere neuseeländische Dokumentation (letztere mit einigen netten Interviews mit der Band und ihrem Personal) aus den Jahren ’74 bzw. ’75 treiben die Spielzeit der Scheibe, zusammen mit ein paar kürzeren unzusammenhängenden Clips zwar ebenfalls auf fast zweieinhalb Stunden, verbreiten aber zumindest bei mir Langeweile.
Obwohl DEEP PURPLE legendär und fast jedes Lob gerechtfertigt ist, stellt „History, Hits & Highlights“ bestenfalls für eisenharte Sammler ein Produkt mit Kaufanreiz dar. Die Performances sind wenig sensationell (Blackmore zertrümmert leider nur eine einzelne Gitarre!), Bild und Ton aufgrund des wirklich alten Filmmaterials alles andere als optimal und natürlich schwankend, inhaltlich bietet diese Doppel-DVD, bis auf einige sicher exklusive Minuten, leider nichts zwingend Interessantes und wirkt daher eher wie eine einzige, fast fünf Stunden lange Bonussektion. Hexenhut und Star-Trek-Kostüm sind gut und schön, aber „Spinal Tap“ ist witziger – dann lieber ein schlichter Konzertmitschnitt, der riecht nicht so sehr nach einer totalen Resteverwertung.
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