Die Erwartungen an das dritte Album „New Bermuda“ der Kalifornier DEAFHEAVEN könnten kaum größer sein: Für nicht Wenige stellt der Vorgänger „Sunbather“ einen Meilenstein des experimentellen Metals dar. Die Frage lautet also, ob es den Herren aus San Francisco gelungen ist, einen solchen Geniestreich erneut zu landen.
Die Produktion übernahm wieder Jack Shirley, der „New Bermuda“ einen sehr klaren und definierten Sound verpasst hat. Insgesamt klingen alle Instrumente sehr knackig und wuchtig, nichts matscht, alles klingt organisch – man könnte fast schon von einer Bilderbuchproduktion sprechen. Darüber hinaus hat der Sound eine beeindruckende, geradezu raumfüllende Präsenz.
Laut Sänger George Clarke soll „New Bermuda“ für eine Reise ins Unbekannte stehen, für eine unbekannte Zukunft, in der alles durch Finsternis verschlungen wird. Ein solcher Vortex der Dunkelheit erwartet einen bereits beim eröffnenden „Brought To The Water“. Nach einem kurzen, ominösen Intro mit Glockenläuten donnert der Song mit Blastbeats und stoischem Gitarrenriffing majestätisch los. Dann setzt der Gesang ein – ein Fauchen, ein Zischen, als ob etwas Unaussprechliches innerhalb dieser monströsen Soundwände gefangen wäre und dagegen anschreien würde. DEAFHEAVEN erschaffen einen Schleier der Finsternis, durch den sich aber immer wieder Lichtstrahlen zu bannen scheinen, die diesen gegen Ende des Songs dann durchbrechen.
Diese bildliche Darstellung ist natürlich nur unzureichend geeignet, um den Sound von DEAFHEAVEN zu beschreiben. Mag der Vergleich mit Licht und Dunkelheit für den ersten Song noch einigermaßen passen, verschwimmen die Grenzen auf den beiden folgenden Stücken „Luna“ und „Baby Blue“ umso mehr. „Luna“ beginnt aggressiv, zu den sägenden Riffs gesellen sich aber nach kurzer Zeit warme, verträumte Melodien, was einfach nur hervorragend miteinander harmoniert. „Baby Blue“ beginnt hingegen ruhig, baut sich nach und nach auf und lässt dann monumentale Gitarren wie Flutwellen über den Hörer hineinbrechen.
Nicht minder episch, aber düsterer gestaltet sich das folgende „Come Back“. Ein clean gespieltes, melancholisches Intro leitet den Song ein – die Ruhe vor dem Sturm quasi. Dieser bricht kurz darauf los und begräbt den Hörer mit seiner stampfenden Wall Of Sound unter sich. Dann – in der zweiten Hälfte des Stückes – wird der Hörer plötzlich wieder durch sanfte Klänge umgarnt, die geradezu schwerelos aus den Boxen zu perlen scheinen. Das abschließende „Gifts For The Earth“ beginnt rockig flott mit pumpenden Rhythmen und treibenden Gitarren, die Melodien sind einerseits sehr melancholisch, dennoch hört man immer wieder einen Funken Optimismus heraus. Dieser scheint sich schließlich durchzusetzen, lassen DEAFHEAVEN „New Bermuda“ doch balladesk mit von sanften Klaviertupfern getragenen, poppigen Melodien im Sinne eines Happy Endings ausklingen.
Und es ist leider jener finale Akt, der dann auch sauer aufstößt. Bis zu diesem Zeitpunkt klingt das Album wie aus einem Guss, man merkt der Band an, dass sie im Rahmen ihrer vergangenen Tournee zusammengewachsen ist. Doch das letzte Drittel von „Gifts Of The Earth“ zieht den Hörer einfach runter. Es kommt irgendwie aus dem nichts und wirkt dadurch etwas hölzern – vom geschmeidigen Flow des Albums ist hier wenig zu spüren. Dennoch: DEAFHEAVEN haben ein wahrhaft abenteuerliches, höchst emotionales Album geschaffen, eine Klangwelt, in der man sich einfach verlieren und auf Entdeckungsreise gehen kann – so klischeehaft das auch klingen mag. Es ist natürlich nicht ganz leicht, derartige Musik hinreichend zu beschreiben. Man kann natürlich davon schwärmen, wie gut Kerry McCoy und Shiv Mehra die Gitarre spielen, dass Dan Tracy eine hervorragende Performance am Schlagzeug abgibt – und man würde recht behalten. Letztendlich muss man ein solches Album aber als Gesamtwerk betrachten und als Hörer die Fantasie dazu spielen lassen. Man muss es einfach erleben.
Es gibt Leute, die DEAFHEAVEN als Hipster-Musik abtun. Ob man das jetzt umgekehrt als rückwärts gewandtes Geblöke brandmarkt oder nicht, ist hier eigentlich nicht wichtig. Man kann an dieser Stelle – gerade im Falle von „New Bermuda“ – eigentlich nur sagen: Wer nicht wenigstens reinhört, ist selber schuld. Oder richtiger: Wer gar nicht erst versucht, sich darauf einzulassen, ist selber schuld und verpasst ein großes, musikalisches Highlight dieses Jahres.
Gut, dass ein Kumpel mich drängte, dieses Album genau anzuhören. Immer und immer wieder. Seitdem bin ich riesiger Fan von Deafheaven.
Geiles Album, wo alles sitzt. Produktion ist klar und druckvoll. Spielerisch sensationell. Die harmonischen Parts entlocken mir immernoch ein Lächeln, da verspüre ich tiefe Dankbarkeit an die Musiker.
Das ‚hölzerne‘ Ende empfinde ich nicht so. Es entlässt mich aus einer Reise in die hintersten Ecken meines Bewusstseins. Toller Ausklang für solch einen emotionalen Trip!
Ganz klare 10 von 10, weil es nie langweilig wird 🙂