Dead Man In Reno - Dead Man In Reno

Review

Herzlich Willkommen zu einem Abziehbild der modernen Metalcore-Kultur, wie es „klassischer“ nicht sein könnte. Demos muss man heutzutage nicht mehr aufnehmen. Mittlerweile reicht es, wenn man auf myspace.com 40.000 sogenannte „Friends“ hat, um die Aufmarksamkeit der Plattenfirmen zu erregen. Wie viele der 40.000 Leute, die die Songsamples angeklickt haben, am Ende auch die Platte kaufen, steht auf einem anderen Papier. Aber gut…

Abstract Sounds, ein Sublabel von Candlelight Records, scheinen diese Tatsache jedoch mal außen vor zu lassen und signen die vier aus Tuscaloosa stammenden, natürlich tätowierten Kurzhaarträger, die abgesehen von ihrer Körperkunst aussehen wie Mamas Lieblingsschwiegersohn, vom Fleck weg. Innerhalb von zehn Tagen wird ein selbstbetiteltes Debütalbum bei Jamie King aufgenommen, der natürlich schon andere Szenegrößen wie BETWEEN THE BURIED AND ME oder THROUGH THE EYES OF THE DEAD prodziert hat.

Und jetzt ratet mal, welche Bands man überdeutlich aus dem Sound dieser Truppe hier raushören kann! Genau! Die Melo-Schwedentod-Schlagseite von AS I LAY DYING, deren doppelläufige Gitarrenleads leicht abgewandelt gebetsmühlenartig zwischen bekannten Hardcore-Beatdowns runtergebetet werden, und die Emo-Lastigkeit von KILLSWITCH ENGAGE, die sich in der Melodieführung und in den mal extrem brutal angelegten, mal auf extrem eingängig und Herzschmerz-kompatibel getrimmten Vocals, manifestiert. Man will ja auch die Mädels beeindrucken, die man wegen ihres jungen Alters auch bei sich auf billigstem Niveau anbiedernden Groupiegehabe nicht anfassen dürfte, ohne sich strafbar zu machen.

Was „Dead Man In Reno“ abschließend zum Musterbeispiel eines am Reißbrett entworfenen Metalcore-Albums macht, ist die Tatsache, dass es handwerklich, abgesehen vom sehr cheesigen „Even In My Dreams“ und den etwas deplatziert wirkenden Akustikzwischenspielen, absolut nichts zu meckern gibt. Trotz aller Vorhersehbarkeit ballern die Stücke recht ordentlich, weisen gut getimte Spannungsbögen auf und bieten technisch feine Soli. Blöd nur, dass exakt dieselben Standards auch von drölfzig anderen Metalcore-Releases in der Woche erfüllt werden.

Versteht mich nicht falsch, ich mag Metalcore immer noch. Ganz gleich, ob diese Stilbezeichnung mittlerweile als Schimpfwort gebraucht wird, overhypet ist oder einfach nur einen längerlebigen Trend darstellt. Aber langsam reicht es wirklich! Hört die Originale wie AILD, KSE oder UNEARTH und gut ist!

07.11.2006
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