David Bowie - Diamond Dogs

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Der Name DAVID BOWIE wird primär mit dem Werk „Heroes“ und im deutschsprachigem Raum dem Film „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ in Verbindung gebracht. Die Anfangszeiten von Bowie Ende der 60er und in den frühen 70ern waren geprägt von schrägen Outfits und ein sich ständig in der Veränderung befindlicher Sound. Am 24.Mai 1974 stand „Diamond Dogs“, das achte Werk aus der Feder von Bowie in den Plattenläden.

„Diamond Dogs“ ist DAVID BOWIE ohne SPIDERS FROM MARS

Die Scheibe wurde ohne Bowies Begleitband SPIDERS FROM MARS produziert. Dieser Sachverhalt führte dazu, dass Bowie selbst die Gitarre in die Hand genommen hat. Musikalisch orientiert sich Bowie nochmals in Richtung Glam- und Psychedelic Rock. Jedoch sind bereits auf „Diamond Dogs“ Ausflüge in Richtung Funk und Soul zu finden. Diese Einflüsse lebt Bowie auf „Young Americans“ (1975) intensiv aus.

Das Cover Artwork zeigt Bowie als markanten Halb-Mann-Halb-Hund-Hybriden inklusive des bekannten Ziggy Stardust-Haarschnitt vor der Kulisse von New York. Das Kunstwerk stammt aus einer Fotosession mit dem Fotografen Terry O’Neill. Einige unzensierte Originalkopien gelangten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Albums in Umlauf, welche die Genitalien des Hybriden zeigten. Laut der Plattensammler-Publikation Goldmine Price Guides gehören diese Alben zu den teuersten Plattensammlerstücken aller Zeiten und wurden für Tausende von US-Dollar für ein Exemplar verkauft. Dieses ursprüngliche Cover wurde von Rykodisc/EMI restauriert und für die Wiederveröffentlichung des Albums im Jahr 1990 genutzt.

Nach dem Intro beginnt der Titeltrack mit der Ankündigung: „This ain’t Rock’n’roll – this is genocide“. Bowies kreierte Persönlichkeit ist Halloween Jack, der auf Manhattan Chase lebt, ein Teil des städtischen Ödlands „Future Legend“ in der Post-Apokalypse Manhattans. Er ist der Kopf der „Diamond Dogs“, ein Rudel wilder Kinder, die auf Hochhausdächern campieren und auf Rollschuhen über Straßen fahren, welche mit Leichen übersät sind. Riff und Saxofon wurden von den ROLLING STONES inspiriert, Bowie agiert stimmlich tiefer als bei seinen früheren Platten.

Von experimentellen Tönen zum Glam Rock mit „Rebel Rebel“

Es folgt der experimentelle Ausflug im dreigeteilten „Sweet Thing – Candidate – Sweet Thing Reprise“. „Sweet Thing“ malt Bilder des Verfalls, während „Candidate“ Verweise auf Charles Manson und Muhammad Ali enthält. Die Single „Rebel Rebel“ dürfte der bekannteste Track auf „Diamond Dogs“ sein und erhält Unterstützung  von Alan Parker an der Gitarre. Nach dem knapp neun Minuten experimentellen Tönen bewegt sich „Rebel Rebel“ im eingängigen 70er Jahre Glam Rock und beendet die A-Seite.

Eine Ballade eröffnet die B-Seite, „Rock ‚N‘ Roll With Me“ erzählt von der Beziehung zwischen dem Publikum und einem Schauspieler. „We Are The Dead“ knüpft an seinen Vorgänger an, ist insgesamt düster und würde heutzutage dem Dark Rock oder Gothic zugerechnet werden. Einen Vorgriff auf das 1975er Werk „Young Americans“ erhält die Hörerschaft mit „Nineteen Eighty-Four“, Funk und Soul halten Einzug und treffen sich mit Wah-Wah-Gitarrenlinien. Wenn es um Orwell und 1984 in den 70ern geht ist der „Big Brother“ ein entscheidendes Thema. Der Track geht in “Chant Of The Ever Circling Skeletal Family“ über. Mit Synthesizern und Saxofon erinnert der Track an „The Man Who Sold The World“. Die Lyrics beschäftigen sich mit Macht und Totalitarismus. Themen, die knapp 50 Jahre nach Erscheinen der LP große Aktualität haben.

DAVID BOWIE eine blasse Imitation von BRYAN FERRY?

Wie so oft in den 70ern wurden Werke, welche sich im Nachhinein als einflussreich entpuppten, zunächst von der schreibenden Presse nur bedingt anerkannt. Der theatralische Gesang wurde als blasse Imitation von Bryan Ferrys beschrieben. Die lyrischen Inhalte als eskapistischer Pessimismus abgetan, der in einer Lustkuppel ausgeheckt wurde. Bowies Gitarrenspiel wurde als kitschig kritisiert und der Musik wenig Anziehungskraft bescheinigt. Ein überproduziertes Konzeptalbum, welches primär von Orwells „1984“ inspiriert wurde.

In der Retrospektive gilt „Diamond Dogs“ als Inspiration für die Punk-Bewegung genauso wie für Gothic- und Industrial-Acts. Bowies Gitarrenspiel fand seinen Widerhall in bei den Post-Punk-Bands der späten 70er Jahre und die Lyrics wurden zur Blaupause für den Nihilismus von zum Beispiel den SEX PISTOLS. Genauso befinden sich Einflüsse von „Diamond Dogs“ auf den späteren Bowie-Werken wie „Low“ oder „Heroes“.

DAVID BOWIE war in den 70ern das Chamäleon der Rock Musik. Der Sound und das Outfit veränderten sich ständig. „Diamond Dogs“ zeigt einen Spagat zwischen der angesagten Rock Musik der 70er und experimentellen Tönen, welche Industrial, Gothic, Funk und Soul-Einflüsse wiederspiegeln. Die Scheibe ist sperrig und nicht alle Tracks leicht zu konsumieren. Die Trademarks von „Diamond Dogs“ bestehen in der Abwechslung. Jede Nummer für sich ist einmalig auf dem Werk, welche jedoch nur im Kontext und im Konzept der LP funktionieren. Menschen, welche sich für Einflüsse von BAUHAUS, NINE INCH NAILS oder auch der frühen Punk-Zeit mit zum Beispiel den DEAD KENNEDYS interessieren, sollten bei „Diamond Dogs“ auf Entdeckungsreise gehen.

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