Daughters - You Won't Get What You Want

Review

Das neue Album „You Won’t Get What You Want“ von DAUGHTERS hat eine interessante Vorgeschichte vorzuweisen: Nachdem sich die Band noch vor der Veröffentlichung ihres letzten, selbstbetitelten Albums aufgrund eines Streites zwischen Sänger Alexis S.F. Marshall und Gitarrist Nicholas Andrew Sadler um 2009 herum zunächst selbst auf Eis gelegt, schließlich aufgelöst hatte, fanden DAUGHTERS um 2013 wieder zusammen, als die beiden – unter nicht ganz freiwilligen Umständen – ihren Streit über einem gemeinsamen Essen beigelegt haben und wieder begannen, über die Zukunft der Band zu reden – und schließlich nach bzw. parallel zu einigen Shows, unter anderem mit THE DILLINGER ESCAPE PLAN, die Arbeit an neuem Material aufnahmen.

„You Won’t Get What You Want“ hält, was es verspricht

„You Won’t Get What You Want“, versprechen die US-amerikanischen Noise Rocker also laut dem Titel ihres neuen Albums möglicherweise nicht ganz ohne Selbstreflexion – und sie halten ihr Versprechen auch musikalisch. Nein, ihr bekommt hier keine wohlklingenden Sophistereien zu hören. Wer in den Klangkosmos der Band aus Rhode Island eintauchen möchte, sollte sich auf eine Welt voller Klang gewordener Schmerzen gefasst machen. Zwar gehört „You Won’t Get What You Want“ definitiv nicht zu den abstraktesten geschweige denn formlosesten Leistungen des Noise Rock, aber die verstörenden Texte, die beunruhigend impulsive Natur des Sounds und die kräftige Produktion sorgen für eine intensive Erfahrung von geradezu körperlicher Natur.

Das wird von Anfang an klar, wenn „City Song“ loslegt mit verzerrten Synthesizer-Wänden und scharfen Trommelschlägen, die aufschrecken lassen. Dann setzt Marshalls apathischer Sprechgesang ein und man bekommt das Gefühl, in das Innenleben eines geistig gestörten Individuums hinein zu lauschen – das hat cineastisches Flair und ist mit diesem Charakteristikum nicht weit von Bands wie H E X entfernt, nur klingt das hier eben etwas songorientierter. Und wie überzeugend DAUGHTERS das Gefühl von Angst, Verfolgungswahn, aber auch Zorn vertonen, merkt man, wenn der Song schlagartig an Intensität hinzu gewinnt, einer Klang gewordenen Panikattacke nicht ganz unähnlich. Dieses Album ist auf eine ästhetische Art und Weise hässlich und ergründet dies im weiteren Verlauf in unterschiedlichen, zum Teil erschreckend plastischen Facetten.

Die Kunst, die Stimmung zu kontrollieren

Im folgenden „Long Road, No Turns“ scheinen die verzerrten Melodien eine Art Spirale abwärts zu beschreiben, während kreischende, atonale Klänge den Hörer unter Beschuss nehmen und so den Eindruck von Gestörtheit, aber auch Klaustrophobie erzeugen und diesen in fast unerträgliche Höhen steigern. Das hypnotische „Satan In The Wait“ verspricht dann erstmals etwas Zeit zum Verschnaufen, zumindest in gehörter Form. Plötzlich finden fast schon schöne Melodien ihren Weg in den Sound der US-Amerikaner und bilden einen wenn auch kleinen Hoffnungsschimmer ab. Doch der wird mit dem folgenden, abrasiven „The Flammable Man“ postwehend wieder förmlich in Grund und Boden gedroschen. „The Lords Song“ setzt gnadenlos nach, nimmt die Heaviness aber etwas zurück, um einer punkigeren Ungehobeltheit Platz zu machen.

Im Anschluss öffnet sich „Less Sex“ dem Hörer dann wieder deutlich mehr mit einem höheren Maß an Eingängigkeit, während der Song zum Ende hin eine bis dahin ungehörte Melancholie zutage fördert. Ebenfalls eingängig, aber wieder düsterer präsentiert sich „Daughter“ mit einem geschmeidigen, durchgehenden Beat und ominösen Melodien, während sich die Noise-Attacken auch hier vergleichsweise in Grenzen halten, die Stimmung dagegen konstant drückend bleibt. Zum Ende hin kommt der Hörer dann wieder in den Genuss von greifbaren, seltsam mystischen Melodien, die nach und nach jedoch von beunruhigenden Samples eingeholt werden und darin förmlich untergehen.

DAUGHTERS kreieren den greifbaren Horror

„The Reason They Hate Me“ kommt dank drückender Rhythmik wieder rockiger daher, während die Melodiearbeit weiterhin durch Dissonanzen und ominöser Stimmung glänzt. Bei „Ocean Song“ nimmt die zwischendurch etwas zurückgefahrene, pessimistische Stimmung des Albums wieder deutlich zu und droht den Hörer unter sich zu begraben, bleibt aber wiederum dank seiner vergleichsweise lockeren Rhythmik im Rahmen des Eingängigen. Der Rausschmeißer „Guest House“ schließlich macht den Deckel endgültig zu mit einem apokalyptischen Finale, das tatsächlich so klingt, als würde die Welt untergehen mit scharfen Melodien, die wie die Sirene eines Bombenalarms auf den Hörer ein kreischen und den unheilvollen Orchestralsynths zum Ende hin.

Dieses Album atmet den gehörten Terror durch seine Natur, die gerade greifbar genug ist, um nicht durch Abstraktion abzuschrecken, und doch derart verzerrt und verdreht daher kommt, dass sie den Hörer effektiv verstört. Der Sound ist klar und doch raumgreifend, gibt den Songs somit zugleich seine distinktive Form und die nötige, imposante Größe. Was „You Won’t Get What You Want“ perfekt gemacht hätte, wären fließende Übergänge, welche die Erfahrung – man muss das Album einfach so nennen – noch direkter und erdrückender gestaltet hätte. Doch auch so ist das neue DAUGHTERS-Album eine Macht für sich, ein Album für Männer und Frauen ohne Nerven. Die geschickte Einstreuung von Lichtblicken hier und da sorgt letzten Endes dafür, dass die Platte zu keiner Zeit der Eintönigkeit anheim fällt. So kontrastiert die Band die verstörenderen Momente der Platte umso besser und effektiver.

Dieses Album macht wahrhaftig betroffen. Im besten Sinne der Worte.

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25.11.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Daughters - You Won't Get What You Want

  1. Buddy S. sagt:

    Ja aber Hallo. Schön, dass die Band Beachtung auf metal.de findet. Tatsächlich war ich etwas enttäuscht als die Band sich aufgelöst hatte, kaum dass ich auf sie gestoßen war. Umso schöner, dass sie mit dem vertonten Wahnsinn zurückgekehrt sind. Genau mein Ding und ich finde es egtl sogar gut, dass Alexis Marshall auch weiterhin eher diesen monotonen „Sprechgesang“ praktiziert, der sich so richtig schön in die klangliche Umgebung hineinfügt. Ich muss gestehen, dass ich von den Vorabsingles jetzt nicht sooo sehr begeistert gewesen bin, aber ich finde das Album als Ganzes am Stück zu hören (ja man muss schon wahnsinnig sein) macht es mir leichter die Songs zu genießen. Viele gute und noise artige Ideen wurden hier verarbeitet. The Jesus Lizard hätten es vermutlich selber nicht besser hingekriegt und auch sonst wollen nur bedingt Bands einfallen, die sich dem Noise (hört mir auf mit Merzbow) so passend gewidmet haben wie eben The Daughters. Ich selbst hab dem Album 8,5 Punkte gegeben. Da hier nur ganze Punktzahlen erlaubt sind und ich kein Freund von Aufrundungen bin, werde ich dem Album 8 Punkte auf Metal.de verpassen.

    8/10