Na hoppla! Egodram ist zwar schon etwas länger draußen und doch steht mit „Morgue“ wieder ein neues Album der Elektropioniere von Das Ich am Start. Ging ja ziemlich schnell und plötzlich.
Eigentlich nicht. Das vorliegende Konzeptalbum ist schon, laut Beipackzettel, seit Anfang 1997 in Planung und findet nun endlich seine Vollendung.
Schon länger ist bekannt, daß Das Ich eine recht offene Liebe zu dem Dichter Gottfried Benn pflegen, zumindest sollte es das sein, wenn man sich etwas intensiver mit der Band beschäftigt. Nun haben sich die vier wackeren Mannen um Komponist Bruno Kramm gescharrt, um eine Gedichtsammlung eben jenes Dichters zu vertonen. Wer nun also neues Futter für die Tanzflächen erwartet hat, wird wohl nur sehr schwer zufrieden gestellt, denn hier haben die Texte und Gedichte absoluten Vorrang. Vertrackt und kopflastig gehen Das Ich hier zu Werke, die Stücke sind alle schwer verdaulich und experimentell, wird also ähnlich zwiespältige Reaktionen hervorrufen wie seinerzeit „Das Innere Ich“. Dabei behalten aber Das Ich alle bandtypischen Stilelemente bei und bleiben somit durchaus im Rahmen ihres eigenen Schaffen, werden die Fans also nicht mit ungewöhnlichen Klangexperimenten und abgedrehten und nicht nachvollziehbaren Veränderungen belasten. Die Industrial-, EBM-, Elektro-, Dark Wave- und Klassikelementen fusionieren auch hier wieder hervorragend und zeigen wie leichtfüßig hier ein eigener Stil kreiert wird, ohne gleich zu fremd zu klingen. Was ich sagen will: Das Ich sind auf dieser Platte immer noch Das Ich. Nur verdammt unzugänglich.
Wer Gottfried Benn nicht kennt, kann hier also Bekanntschaft mit seinen Gedichten machen, die mir persönlich nicht so gefallen. Morbide und kryptisch ist die Poesie, ein Erschließen ist in meinen Augen nur schwer möglich, wer sich aber mit dieser CD anfreunden will, ist dazu gezwungen sich mit dem Schaffen Benns auseinander zu setzten, schließlich ist die textliche Ebene die dominante. Hier geht es rein um ein gedichtevortragen, welches von Musik unterstrichen wird.
So richtig mag mir das Ganze nicht munden. Die Musik kommt in meinen Augen zu kurz, die Gedichte treffen nicht ganz meinen Geschmack, dürften aber allen Freunden verschachtelter und äußerst kranker und morbider lyrischer Kunst gefallen. Damit die Tanzhallen nicht zu kurz kommen hat man allerdings noch „Erde ruft“, ein Remix vom dritten Lied der CD, „Saal der kreisenden Frauen“, welcher auch das wohl „musikalischste“ von allen ist, angefertigt, der wieder mehr in Richtung „Egodram“ und „übliche“ Das Ich tendiert.
Fans, die auch „Das Innere Ich“ mochten, wird hier also ein weiterer feiner Happen vorgeworfen, „Gottes Tod“ Freunde sollten vielleicht besser auf das nächste Ding aus dem Hause Das Ich warten.
Bin nicht deiner Meinung. Ich finde Morgue ist bis jetzt ihre beste CD!