Darkthrone - Circle The Wagons

Review

Diese Band hatte schon mehr als ein Gesicht: Sie begann 1987 als Death-Metal-Kapelle, um vier Jahre später nach einem radikalen Stilwechsel mit ihrem zweiten Album “A Blaze In The Northern Sky“ eine der ersten und wichtigsten Veröffentlichungen der zweiten Welle des Black Metal einzuspielen. In den Folgejahren schuf man mit Alben wie “Under A Funeral Moon“ weitere Genre-Meilensteine und wurde zu einer Legende des Black Metal, doch auch an DARKTHRONE ging die Zeit nicht spurlos vorbei: Um die Jahrtausendwende zeigten schwache Alben wie “Plaguewielder“ eine ziemlich müde wirkende Band, die lange nicht mehr so polarisierte, als dass man sich mit Berechtigung noch Slogans à la “The Most Hated Band In The World“ – wie zur Abenddämmerung der Glanzzeiten (“Panzerfaust“) – aufs Backcover drucken konnte.
Es war schon seit „Hate Them“ als schleichende Entwicklung wahrzunehmen, aber erst mit “The Cult Is Alive“ anno 2006 machten sich die Herren Fenriz und Nocturno Culto deutlich hörbar daran, ihre ältesten Wurzeln und damit den ruppigen und thrashigen Metal der (frühen) Achtziger mit dessen Einflüssen aus NWOBHM, Hardcore und Punk in ihren Sound zu integrieren. Dies bauten sie über die beiden folgenden Alben “F.O.A.D.“ und “Dark Thrones And Black Flags“ aus und polarisierten wieder: Waren die „neuen“ DARKTHRONE für die einen nur einfalls- und anspruchsloses Gerumpel mit fürchterlichem Gesang, zeigten sich nicht wenige Anhänger schwer angetan von der Entwicklung des Kult-Duos, deren einzige Konstante das Pfeifen auf Konventionen und Erwartungen zu sein scheint.

“Circle The Wagons“ ist nun das vierte Album (innerhalb von fünf Jahren) dieser neuen DARKTHRONE und man kann sich fragen, ob sich die beiden Norweger in der auf den letzten drei Scheiben eingeschlagenen Richtung weiter bewegen oder doch noch ein Mal eine deutliche Kurskorrektur vornehmen. Die aktuellsten, sich irgendwo zwischen LMAA-Attitüde, nordisch-untergrundigem MANOWAR-Plagiat, Parodie und bedingungslosem Enthusiasmus bewegenden Statements der Band – die sich gegen die “Modern Overground Metal Traitors“ richten, denen durch den Titel des Albums nahe gelegt wird, ihre Wagen in Verteidigungsstellung zu bringen – lassen darauf schließen, dass man den aus Heavy Metal und Punk gefertigten Stiefel so schnell nicht ausziehen wird. Und so ist es auch, DARKTHRONE zeigen sich wenig überraschend als die schwermetallischen Prediger der letzten Jahre vor den immer weiter verwitternden Spuren einer (großen) schwarzmetallischen Vergangenheit.

Der Einstieg in das mittlerweile fünfzehnte DARKTHRONE-Langeisen gestaltet sich zwar unspektakulär, aber durchaus Lust auf mehr machend: Bei einem sich von dem der beiden Vorgänger nicht unterscheidendem, oft übersteuertem Grölgesang besitzt das Chorus-lastige “Those Treasures Will Never Befall You“ Ohrwurm-Qualität, während “Running For Borders“ mit flott rockenden bis leicht doomigen Passagen eine gute Mittelklassenummer mit dem typischem Vibe neuerer DARKTHRONE abgibt.
Aber erst der straighte, an “Hanging Out In Haiger“ vom Vorgängeralbum erinnernde Kracher “I Am The Graves Of The 80s“ zeigt Ted und Gylve richtig entfesselt und ist mit einer Prise Erhabenheit gewürzt auf ganzer Linie überzeugend. Man merkt schnell, dass der Anteil rotzig-rockiger Kompositionen, die ja zumeist aus Fenriz‘ Feder stammen, auf “Circle The Wagons“ deutlich dominiert und Nummern mit nach wie wie vor ein wenig frostig-düsterer Grundstimmung – wie etwa „Pervertor Of The Seven Gates“ oder „Blacksmith Of The North“ auf den Vorgängeralben – kaum noch vorhanden sind. Einzig beim auf Nocturno Cultos Kappe gehenden Siebenminüter “Stylized Corpse“, der durch die finsterste Gesangsleistung des Albums veredelt wird, scheint noch ein (letztes?) Mal ein klein wenig das Feeling der früheren, fiesen DARKTHRONE durch.
Nach diesen beiden Höhepunkten folgt mit dem beim klar gesungenen Refrain ein wenig – welch Wunder – ISENGARDs “I Kamp Med Hvitekrist“ ins Gedächtnis rufenden, extrem eingängigen Titelstück auch gleich der nächste und letzte. Die restlichen Lieder können nach diesem eindrucksvollen Hattrick dann keine großen Akzente mehr setzen, wenngleich auch “I Am The Working Class“ mit seiner ungezügelten Energie noch einmal aufhorchen lässt und nicht nur aufgrund des ähnlichen Titels wie der kleine Bruder von “I Am The Graves Of The 80s“ wirkt.
Der langsame, bis auf den leicht störenden, repetitiven Beginn gesanglose Raußschmeißer “Bränn Inte Slottet“ mit seinen an alte Black-Metal-Tage erinnernden Riffs wirkt wie ein letzter, stiller Gruß an die Menschen da draußen, die endgültig einsehen müssen, dass es vergebens ist, sich die Helden der eigenen Jugend wieder in all ihrer einstigen finsteren Pracht zurückzuwünschen.

Wie schon das Vorgängeralbum wächst auch “Circle The Wagons“ nach sehr durchwachsenem ersten Eindruck beim wiederholten Durchlauf. Mit dem Hammer “I Am The Graves Of The 80s“, “Stylized Corpse“ und dem Titellied gibt es gleich drei bärenstarke Nummern; die restlichen beiden Drittel der Scheibe können dieses verdammt hohe Niveau trotz spürbarem Herzblut und vieler guter Momente (natürlich) nicht halten, zeigen ein tendenziell etwas weniger überzeugendes und doppelbödiges Werk, als es “Dark Thrones And Black Flags“ ist.
Es wäre schön gewesen, wenn DARKTHRONE einen größeren, lebensfähigen Rest schwarzmetallischen Geistes auf ihr neuestes Album hinüber gerettet hätten, aber auf dem überwiegend von Fenriz geschriebenen „Circle The Wagons“ ist das vormals immerhin noch unterschwellig Dunkle und Bedrohliche fast vollends dem unbekümmerten und eingängigen Old-School-Heavy-Punk-Gewand gewichen und hat in einem zu erwartenden Schritt zu der Scheibe geführt, die die Band weiter vom Black Metal entfernt zeigt, als jede andere – vom Debüt abgesehen – zuvor. Wer mit der Entwicklung des Duos über die letzten Veröffentlichungen kein grundsätzliches Problem hatte, dem wird aber auch dieses Album, das im (unteren) Mittelfeld der mit etlichen großartigen Werken gespickten Diskographie anzusiedeln ist, sehr wahrscheinlich munden.

Obwohl DARKTHRONE hier ein Album abliefern, mit dem nach den Vorgängern zu rechnen war, stagnieren sie nicht komplett und bleiben damit eine der Bands, bei denen man gespannt sein kann, wie das Ende des Weges aussehen wird, ob man unterwegs vielleicht nicht doch noch einmal unerwartet abbiegt. Dass sie dazu in der Lage sind, haben Ted und Gylve ja schon mehrfach bewiesen.

24.03.2010
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