Dante - Winter
Review
Es ist eine Geschichte, wie man sie über diverse Alben, im Metal und darüber hinaus, in den letzten Monaten sehr oft gelesen hat. DANTE, eine Progressive-Metal-Band aus Augsburg, haben das hier vorliegende Album „Winter“ eigentlich schon zwischen den Jahren 2019/2020 aufgenommen. Vermutlich entschied sich die Band, die Veröffentlichung zu vertagen, da die durchaus regen Live-Aktivitäten COVID-bedingt ins Wasser fielen, sodass wir nun, im Jahr 2022, endlich in den Genuss dieser neuen Platte kommen können. Und in gewisser Weise erlaubt das Album mir, ein kleines bisschen ins Reine zu kommen. Denn manchmal muss sich unsereins schon fragen, was mich beim Verfassen von Reviews vor einigen Jahren wohl geritten hat, gerade als jemand, der seine Tage als Gatekeeper eigentlich seit längerem schon als gezählt ansieht.
DANTE reichen das COVID-bedingt verschobene „Winter“ nach
Diese neue Platte hat einmal mehr Anlass zu einer solchen Überlegung geboten, in dem Falle hinsichtlich des Vorgängers „When We Were Beautiful“, ein durchaus schwieriges Album für die Herren, da es das erste Release ohne den direkten Input ihres 2013 verstorbenen Gitarristen/Bassisten und Hauptsongwriter Markus Berger gewesen ist. Sieht man mal vom Eyecandy-Cover ab, bot das Album etwas, das man wahrscheinlich irgendwie als Crossover-Prog bezeichnen kann, bei dessen Rezension ich aber scheinbar einen besonders schlechten Tag erwischt haben muss. Rückblickend ist das einzige, was mir nachhaltig sauer an diesem Album aufstößt, wirklich nur noch der Sound, ansonsten kann ich meine Kritik an diesem Album aus heutiger Sicht nur noch unzureichend nachvollziehen. Rezensenten sind eben auch nur Menschen, auch wenn sie sich manchmal für unfehlbar und allwissend halten. *hust*
Das nur einmal zum Kontext, da es durchaus relevant ist. Denn DANTE haben mit dem hier vorliegenden, stilistisch anknüpfenden „Winter“ ein richtig gutes Album veröffentlicht, das einerseits Prog-Tropen bedient und diese in eine Retro-Prog-Ästhetik einbettet, die weder vor krummen Takten noch vor verspielten Orgel- und Gitarrenpassagen zurückschreckt. Gleichzeitig ist das Album aber auch mehr, vor allem ist es verdammt heavy. Zum Teil stoßen sie sogar in Groove-Metal-Territorium vor, nicht zuletzt auch immer dann, wenn Sänger Alexander Göhs ein paar echt markige Shouts auspackt, die schon leicht ins Gutturale rein reichen. Und wirklich beeindruckend hieran ist, dass sie immer einen Weg finden, ihre Songs organisch zwischen diesen beiden Polen – Retro-Prog und Groove Metal – hin- und herfließen zu lassen.
„Winter“ klingt so gar nicht nach Winterdepression
Diese Dynamik wird durch eine konsistente Stimmung hergestellt, die auf „Winter“ heraufbeschworen wird. Göhs‘ klarer Gesang zum Beispiel hat so eine eigenartige Stimmfarbe an sich, die so ein bisschen an Gothic Rock der bekömmlicheren Sorte denken lässt. Die Musik von DANTE hat ohnehin mindestens seit dem Drittling „November Red“ etwas Dunkles, Melancholisches an sich. Die Heaviness übertönt heuer natürlich die Düsternis, die besagtes Album noch auszeichnete, aber sie kommt zwangsläufig immer wieder mal zum Vorschein, zum Beispiel in den Refrains von „Lazarus Leaving“ oder „The Tear That Should Not Be“. Auf der anderen Seite mangelt es auch nicht an reichhaltigen Einflüssen. So erweist sich Göhs darüber hinaus noch als gesanglich ausgesprochen anpassungsfähig und legt beim ruppigen „Darker With The Day“ eine stark an James Hetfield gemahnende Intonation aus Parkett.
Bei Songs mit Hang zur Überlänge ist Gesang natürlich nur eine Seite der Medaille. Glücklicherweise lässt die Instrumental-Fraktion nichts anbrennen. Julian Kellner an der Gitarre serviert jede Menge heavy Riffs, die den Spagat zwischen proggy Gefrickel, grobem Gebratze und zackigem Geschrubbe locker meistern. Dabei spielt er stets songdienlich, was man ihm als Hauptsongwriter hoch anrechnen muss. Bassist Jim Magnusson hält sich meist im Hintergrund, seine Saitenschläge sind aber gut rausgearbeitet und verleihen der dominanten Gitarre durchaus Textur. Auch Tastenhexer Markus Maichel spielt meist songdienlich, legt zum Beispiel herrliche Hammond-Flächen unters Geschehen oder liefert orchestrale Synth-Arrangements. Unterdessen fasst Christian Eichlinger alles in einen schönes, nicht zu spack aber doch angemessen stramm gezogenes Groove-Korsett ein.
Die Augsburger liefern gehaltvolle Longtracks mit Durchschlagskraft und Spielfreude ab
Und DANTE liefern auch eine richtig starke Trackliste ab, angefangen beim stimmungsvollen, einerseits mit geschmackvollen Orchstral-Arrangements, andereseits mit fast Industrial-artigen Drums und Synth-Texturen versehenen Intro „Holocene“, das ziemlich geschmeidig ins folgende, reichlich Ärsche tretende „A Cold Man’s Winter“ einleitet. Sicher hätten sie nicht so hart in die Vollen gehen müssen, aber dieser Track betoniert seine Hörer nach den einleitenden Orgel- und Gitarrenriffs, die nach purer Retro-Prog-Spielfreude klingen, mit seinen heftigen Grooves einfach nur so richtig schön in die Landschaft hinein. Der Song büßt über seine Laufzeit nicht wirklich viel von seiner Intensität ein, bleibt aber über seine acht Minuten Spielzeit durchgehend dynamisch dank regelmäßiger Tempowechsel, kurzer Ruhephasen und nicht zuletzt einer großartigen Hook.
Nicht jeder Song drückt natürlich so feste ins Gesicht, sodass ein „In Vertigo“ beispielsweise zu den etwas weniger heftig zupackenden, stimmungsvolleren Stücken gehört, wobei man sich wahrscheinlich vor dem Wort „Ballade“ hüten sollte. Dafür wird der Track dann doch etwas zu energetisch dargeboten, dafür gerät die mehrstimmige Hook einfach zu kraftvoll, mal ganz davon abgesehen, dass die Heaviness weiterhin präsent ist. Der Rausschmeißer „C. T. S. M.“ bringt mit zwölf Minuten die längste Trackspielzeit auf die Uhr und schmeißt direkt wieder mit aggressivem Riffing und jeder Menge Wendungen um sich. Und wieder muss man das geschickte Händchen der Band für dynamisches Songwriting loben, das den Song elegant zu einem atmosphärischen Solo-Part und schließlich zu einer souligen Abschluss-Hook unter Begleitung der Gastsängerin Bine Heller und damit zu einem würdigen Höhepunkt führt.
DANTE gelingt ein frühes bzw. verspätet eintreffendes Prog-Highlight
Dass das Quintett so diszipliniert songdienlich spielt und dennoch so viel Härte und Spielfreude unter die Haube ihres fünften Albums klemmt, ist beeindruckend, besonders wenn man die knappe Stunde Gesamtspielzeit bedenkt, die „Winter“ benötigt, um über die Zielgerade zu marschieren. Umso schöner ist, dass die Solo-Parts selten nerven. Speziell Kellners Soli lassen oft herrlich viel Erde mitfliegen, was sich wunderbar in den Gesamtsound einfügt. Wirkliche Schwächen lassen sich DANTE dabei nicht zu Schulden kommen. Sie revolutionieren den Prog natürlich nicht, aber ergänzen ihn sinnig mit einer durschlagskräftigen Metal-Komponente und verleihen ihm so einen erfrischenden Nachdruck. Gleichzeitig halten sie die Sache klassisch, bleiben somit ihrem etablierten Sound treu.
Und so hat es sich eben ergeben, um die Brücke zur Einleitung zu schlagen, dass sich der alte, sinngemäße Spruch „Man sieht sich immer zweimal im Leben“ doch wieder bewahrheitet hat. „Winter“ knüpft im Grunde an „When We Were Beatiful“ an, enthält allerdings die bessere Produktion, ist damit das bessere Album. Die Platte hat mir aber aus Recherchezwecken noch einmal ein Wiedersehen und eben eine Neuevaluation des besagten Vorgängers beschert. Es lohnt sich also, in beides reinzuhören, aber gegenständlicherweise sei hiermit eine Kaufempfehlung für „Winter“ ausgesprochen, da die Augsburger hier ein großartiges Retro-Prog-Album voller Spielfreude, Heaviness und großen Hooks serviert haben, das sicher auch für Abnehmer jenseits progressiver Hörgewohnheiten interessant sein dürfte.
Dante - Winter
Band | |
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Wertung | |
User-Wertung | |
Stile | Groove Metal, Heavy Metal, Progressive Metal |
Anzahl Songs | 8 |
Spieldauer | 58:51 |
Release | 25.03.2022 |
Label | Eigenproduktion |
Trackliste | 1. Holocene 2. A Cold Man's Winter 3. Lazarus Leaving 4. In Vertigo 5. The Tear That Shouldn't Be 6. Darker With The Day 7. Your God In Vain 8. C. S. T. M. |