Daniele Liverani - Fantasia

Review

DANIELE LIVERANIs Album „Fantasia“ sollte passender „Fantasia – Oder wie verheize ich brauchbare Musiker aufgrund von Selbstdarstellung“ heißen. Was der – zugegebenermaßen nicht unfähige – Gitarrist hier abliefert, ist mit das Gefühlloseste, was ich seit langem gehört habe.

Der Name Daniele Liverani war für mich ein gänzlich unbeschriebenes Blatt. Die Eingabe bei der weltweit meistgenutzten Suchmaschine erbrachte, dass der Musiker andernorts durchaus auf so manchem Zettel steht und sein Hauptverdienst eine Rockoper-Trilogie mit dem Titel „Genius“ ist. In Anbetracht dessen, was mir „Fantasia“ bietet, schlagen die Vorurteilsantennen aus und flüstern, dass man es hier wohl mit einem (von vielen) Gitarrenegomanen zu tun hat und der Titel „Genius“ sicher auch nicht von ungefähr kommt.

Das hier vorliegende Album soll wohl in irgendwelche Fantasiewelten entführen. Das wollen uns zumindest das Cover und die jeden Titel einleitenden Sprachsamples glaubend machen. Abgesehen von den Sprachschnipseln ist „Fantasia“ gänzlich instrumental gehalten, wobei auf eine klassische Prog-Rock/Metal-Besetzung, bestehend aus Gitarre, Schlagzeug, Bass und Keyboard, zurückgegriffen wird.

Die insgesamt elf Stücke verlaufen alle nach dem selben Schema, bzw. laufen immer auf dasselbe hinaus: Gitarrensoli. Noch besser gesagt: Das gesamte Album ist ein einziges Gitarrensolo! Ab und an lässt sich Liverani dazu herab, den Hörenden auch mal ein Riff oder eine Gitarrenharmonie wahrnehmen zu lassen. Doch das ist gefühlt nur alle drei Tracks der Fall. 

Verheißungsvoll meint der Promo-Sheet auf „catchy melodies“ hinweisen zu müssen. Außerhalb dieser Textzeile des Beipackzettels konnte ich in der Musik des selbsternannten Gitarrengottes allerdings keine dieser eingängigen Melodien ausfindig machen. Dasselbe Schriftstück verkündet auch, dass das hier vorliegende Werk als Neoklassik und Metal einzustufen sei. Naja – wenn’s hilft. Denn das einzig „Klassische“ wären die zuckersüßen Keyboardteppiche oder die Verwendung modaler Tonleitern, doch das macht noch lange nichts, was irgendwie in Richtung Klassik schielt.

Mein Problem mit „Fantasia“ ist, dass – meiner Auffassung nach – kaum Musik stattfindet. Die endlosen Soloeskapaden auf der Gitarre, welche großteils klassische Skala-rauf-und runter-Läufe sind, werden von marshmallow-artigen Keyboardharmonien untermalt. Gleichzeitig klopft der Drummer eifrig auf seine Felle, während der Bassist, alle zwei Schläge, das Geschehen mit seinem blubbernden Instrument kommentieren darf. Das ist natürlich stark vereinfacht ausgedrückt aber was hab‘ ich von pseudo-virtuosem Griffbrettgew****e, wenn nie, wirklich nie, auch nur ein Hauch von Atmosphäre erzeugt wird? Für mich ist das schlicht und einfach nur marginal musikalisch, wenn einer seine Finger fünfzig Minuten lang schnell auf einem Griffbrett auf und ab befördert, weil mich das Resultat einfach zu keiner Stelle anspricht und alles, was hätte spannend werden können, aufgrund der Geschwindigkeit sowieso gleich wieder zunichte gemacht wird.

Die Diskussion, ob musikalische Fertigkeit nun wichtiger sei als Atmosphäre, Gefühl oder Authentizität, oder eben umgekehrt, wird wohl seit Beginn der Geschichte progressiver Musik geführt. Letztlich muss jeder für sich entscheiden und die Wahrheit liegt, wie immer, irgendwo dazwischen. Doch DANIELE LIVERANIs „Fantasia“ ist quasi das Musik gewordene Gegenargument zu den Verfechtern musischer Virtuosität.

Am Ende gibt’s drei Punkte. Einen, weil die Musiker an sich durchaus brauchbar wären, was ich respektieren möchte. Einen, weil die Scheibe ordentlich produziert wurde und den letzten – tja, wofür eigentlich? Dafür, dass man auch ein Werk wie „Fantasia“ erst einmal machen muss.

28.02.2014
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