Der Höhenflug etlicher Gan-Shin-Bands ging auch im bisherigen Geschäftsjahr 2007 weiter. Haben DIR EN GREY mit dem „Marrow Of A Bone“ bereits die Vorarbeit geleistet, versuchen DÉSPAIRS RAY nun auf die vielen neu gewonnenen Fans zurückzugreifen, die sie auf der Europatour des letzten Jahres mit ihrem wirklich enthusiastischen Liveauftritt gewinnen konnten. Und es muss wohl funktionieren, denn obwohl die Platten in Japan alle schon früher veröffentlicht wurden, und damit theoretisch Freiwild in jeder Internettauschbörse sind, kommen jedes Jahr mehr J-Rock-Platten in die Regale.
Und nun ist die neue DÉSPAIRS RAY dran. Genretechnisch eher im modernen Rock mit diversen elektronischen Spielereien und meist aggressivem Gesang gehalten, ist „Mirror“ definitiv ne Platte die man laut hören muss. Ja, man muss. Dank einer etwas zu wütenden Nutzung des Kompressors und zahlreichen anderen High-Tech-Tools klingt die Produktion leise regelrecht unangenehm, was man als erfahrener Gan-Shin-Hörer aber bereits kennt (man denke nur an die viel zu basslastigen DIR EN GREY-Produktionen). Hier muss man einfach sagen, dass die Japaner es trotz vieler Versuche in den letzten Jahren noch nicht geschafft haben, an amerikanische Produktionsstandarts anzuknüpfen.
Aber vielleicht fällt das ja auch noch alles unter „Exotenbonus“. Schließlich klingt die Band trotz einer vorsichtigen Tendenz zur allgemeinen Amerikanisierung japanischer Musik immer noch angenehm ungewöhnlich für europäische Ohren, weil die Mischung aus eingängigem Rock, einer ungemein modernen Inszenierung und oben erwähntem Gesang nunmal weit jenseits von TOKYO HOTEL, AC/DC oder unseren 80-Jahre Rockopas steckt. Und wie schon auf dem „|Coll:Set|“ steht am Anfang wieder mit „Damned“ eine experimentive Nummer, die mit ihrem wilden Slapbass wie KORN zu „Untouchables“-Zeiten klingt. Der Rest bewegt sich aber durchaus im Rahmen gewohnter Strukturen und erinnert stark an den Vorgänger. Positiv anzumerken ist, dass sich das Durchschnittsniveau sehr gesteigert hat und irgendwie theoretisch auch jeder Song als Single auskoppelbar wäre. Vermutlich sogar mit Erfolg, denn hier wurde nicht nur auf Refrain komponiert, sondern auf diesem Weg auch viele richtig mächtige Ohrwurmmelodien vom Stapel gelassen.
Und wäre „Mirror“ die erste Scheibe gewesen, die ich von dieser Band gehört hätte, wäre sicher irgendetwas zwischen 8 und 9 Punkten drin gewesen. So schleicht sich aber schnell der „alles-schonmal-gehört“-Faktor in die Setlist ein, was durch identische Songstrukturen mit einer, maximal zwei guten Melodien nur noch gesteigert wird. Gegen Ende kommt es damit zu der abstrusen Situation, dass man sich zwar immer noch auf das nächste Lied freut, man aufgrund starker Ermüdungserscheinungen aber auch nichts dagegen hätte, jetzt auf die Stop-Taste zu drücken. Ab und zu mal ein komplexerer Song wie „Tsuki no Kioko -fallen-“ vom Vorgänger, oder eine atmosphärische Verschnaufpause, hätte da Wunder gewirkt.
Der Livefaktor der Band sollte sich mit „Mirror“ noch ins Unermessliche gesteigert haben, für die Heim-Stereo-Anlage würde ich aber andere Platten bevorzugen. Wer den Lautstärkeregler nicht unter ein gewisses Maß dreht, darf der Endwertung eventuell noch einen Punkt hinzufügen, für den Rest gibt es aber (hoffentlich) eine baldige Tournee.
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