Cthulhu - Schatten einer Stadt

Review

Stuttgart, Geburtsort des Philosophen Hegel und Heimatstadt von SINNER, wird im Jahr 1925 von mysteriösen Vorkommnissen heimgesucht. Die Kampagne „Schatten einer Stadt“ für das Horror-Rollenspiel CTHULHU konfrontiert die Spielfiguren mit obskuren Geheimnissen und alten Kulten, die eng mit der Geschichte der schwäbischen Metropole verwoben sind.

Viel Zeit, viel Raum

Während viele andere CTHULHU-Kampagnen die Spielfiguren um den Globus führen, konzentrieren die beiden Autoren Marcel Durer und Andreas Osteroth die Handlung auf Stuttgart. Sie beschreiben die Stadt insbesondere mit Augenmerk auf Recherchen, Konflikte und entspannende Pausen, regen aber auch zu „Nicht-Abenteuern“ an, in denen Raum für Charakterspiel und eigene Projekte gelassen wird. Die Kampagne wird somit sehr elegant in die Geschichte der Stadt, als auch in die Biographien der Spielfiguren eingewoben.

„Schatten einer Stadt“ nimmt sich viel Zeit, um seine Geschichte zu erzählen. Die vier enthaltenen Szenarien sind allesamt sehr offen gestaltet und geben den Spielfiguren den nötigen Raum, sich in die Handlung locken zu lassen. Passenderweise wurde das erste Szenario „Ein leichtes Säuseln“ genannt uns besteht aus vier Kurzabenteuern, die wiederum in kleinere Bausteine aufgeteilt sind die parallel zueinander stattfinden können. Das klingt zunächst nach viel Aufwand für die Spielleitung, ist aber sehr sorgfältig von den Autoren aufbereitet worden.

Stuttgart im Fokus alter Götter

Was passiert? Mit leichten Spoilern: Ein Vorfall in der Vergangenheit hat dafür gesorgt, dass die Stadt in den Fokus einer kosmischen Wesenheit geraten ist, deren Präsenz allein schon gefährlich genug wäre. Aber auch ein alter Geheimbund wird in Aufruhr versetzt, der das schleichende Chaos zu seinem Vorteil nutzen möchte. Die Spielfiguren müssen sich mit hegelianischen Schriften, undurchsichtigen Anthroposophen und seltsamen Vorkommnissen in den Daimler-Benz-Werken auseinandersetzen, um schließlich den Tag zu retten.

Die Antagonisten sind dabei handfester Natur und können meistens ganz konventionell ausgeschaltet werden. Der unbesiegbare kosmische Schrecken zeigt sich in dieser Kampagne nur subtil und nimmt häufig bizarre Züge an, die am Spieltisch weniger erschreckend, sondern unterhaltsam rüberkommen dürften. So gediegen die Handlung mit all ihren Hegel-Referenzen und akademischen Ausflügen ist, so absurd und realitätsverzerrend sie gegen Ende ausartet, so ist sie doch auf eine eher bodenständige Weise phantastisch.

Die „Schatten einer Stadt“ bieten viel Abwechslung

„Schatten einer Stadt“ ist etwas für jene, die sich gerne akribische Notizen machen, mehrere Spuren gleichzeitig verfolgen und trotzdem den Überblick behalten können. Wer sich am Spieltisch gerne berieseln lässt, könnte hingegen weniger Freude an dieser Kampagne haben.

Gleiches gilt für die Spielleitung, die viel Vorbereitungszeit und sorgfältiges Story-Management nicht scheuen sollte. Denn so sehr die Kampagne durch ihre Details punktet, ist es ihr Makel, dass deren Verwaltung in Zettelwirtschaft ausarten kann und im Laufe der Geschichte manches wieder vergessen wird.

Es sind die Details, die zählen

Dennoch ist „Schatten einer Stadt“ insgesamt eine der besten neueren Kampagnen für CTHULHU. Aufbau und Aufbereitung sind äußerst durchdacht, stets übersichtlich und nicht zuletzt auch sehr gut zu lesen. Der Spagat zwischen linearer Handlung und offener Ausgestaltung ist selten so gut gelungen wie in diesem Band.

Die Handlung an sich ist eher konventionell und leicht zusammengefasst: Komischer Schrecken, ein skrupelloser Kult und Recherche, die zum tapferen Widerstand führt. Es sind die Details, mit denen die Kampagne besticht. Es ist der Raum, den sie den Spielfiguren mit bemerkenswerter Leichtigkeit gibt. Dadurch wird sie ein wunderbarer Ausflug in eine fremde, aber doch nahe Welt. In ein Stuttgart, das es so nie gegeben hat, aber bald zum Schauplatz phantastischer Abenteuer wird.

Der Soundtrack für die „Schatten einer Stadt“: KONVENT – Call Down the Sun / CELESTE – Assassine(s) / SYLVAINE – Nova

Würfeln und blättern, statt lauschen und headbangen – In der Rubrik „Dice ‚em All“ stellen wir euch ausnahmsweise keine Musik vor, sondern Rollen- und Brettspiele.

22.03.2022
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