Cthulhu - Orkenspalter und der Mythos

Review

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Aufgezeichnete oder live gestreamte Rollenspielrunden erfreuen sich seit einigen Jahren wachsender Beliebtheit. Im deutschsprachigen Raum ist Orkenspalter TV die erste Anlaufstelle für Interessierte und Fans. Dabei sind auch mehrere CTHULHU-Partien von der Kamera festgehalten worden. Darunter auch solche, die auf vom Orkenspalter-Team entworfenen Szenarien basieren. Diese Abenteuer finden sich nun im Band „Orkenspalter und der Mythos“.

Die Abenteuer aus dem Orkenspalter-Stream am Spieltisch

Damit sind wir bereits bei einem Knackpunkt dieses Unterfangens: Können die Notizen, auf deren Basis eine Spielrunde geleitet wurde und gegebenenfalls auch einige Szenen improvisiert wurden, für ein Buch ausgearbeitet werden ohne lediglich ein begrenztes Nachspielen zu ermöglichen?

Mit „Lost Mountain Saga“ erschien im vergangenen Jahr ein ähnliches Buch für das Horror-Rollenspiel VAESEN. Die Abenteuer einer als Podcast hörbaren Spielrunde wurden aufgearbeitet, um daraus einen Kampagnenband zu entwickeln. Dies gelang gut, doch eine Schwäche war tatsächlich, dass der vorgegebene Plot arg strapaziert wurde, wenn die Entscheidungen am Spieltisch zu sehr von denen am Mikrofon abwichen.

Für „Orkenspalter und der Mythos“ stellt sich dieses Problem nur bedingt. Das Buch enthält fünf unabhängig voneinander funktionierende Szenarien, die an überschaubaren Schauplätzen stattfinden. Zusätzlich gibt es an sehr kritischen Stellen Hinweise an die Spielleitung, was im Falle einer überraschenden Entscheidung durch die Spielrunde getan werden kann.

Kosmischer Schrecken und tragische Szenen

Abenteuer Nr. 1, „Die Himmelfahrt“, ist ohnehin ein gradliniges Mystery-Abenteuer. Ein außerplanmäßiger Stopp während einer Schiffsreise führt auf eine abgelegene Insel mit einem tödlichen Geheimnis. Die vorgefertigten Charaktere für dieses Szenario sind den Figuren aus der Orkenspalter-Runde nachempfunden, was zusammen mit einigen Hinweisen für entsprechende Handlungsmöglichkeiten in bestimmten Situationen auf charmante wie auch unaufdringliche Weise die spannende Geschichte nicht nur, aber vor allem für Fans noch interessanter gestaltet.

„Der Jahrmarkt von Gillingham“ ist ein überschaubares Investigativabenteuer mit einem offeneren Ablauf, aber einem vorgegebenen Ende, da der Plot auf einer realen Katastrophe basiert. Diese kann je nach Verhalten der Spielrunde abgeändert stattfinden, allerdings verstärkt sie die Wirkung der ohnehin tragischen Handlung. Zum Einstieg in CTHULHU ist dieses Szenario vielleicht etwas zu schwere Kost, sorgt aber durch seinen festen Rahmen und eine im Hintergrund tickende Uhr für Spannung.

Knackige Psychothriller und komplexe Dorfdramen

Bei „Walisisches Potpourri“ handelt es sich um ein klassisches CTHULHU-Szenario mitsamt kleinem Dorf, komplizierten Verhältnissen vor Ort und einem undurchsichtigen Kult im Hintergrund. Das größte Hindernis ist in diesem Fall ein Streik von Bergleuten, der die Ermittlungen erschwert, bei guter Handhabung aber lokales und historisches Flair transportieren kann.

„Die Gefangenen von Cape Clear“ ist hingegen ein knackiger Psychothriller. Auf einer irischen Insel sorgt das Geheimnis eines megalithischen Steinkreises nahe eines Klosters für kosmischen Schrecken. Simpel wie effektiv führt dieses Szenario die Spielrunde am Ende zu schweren Entscheidungen und unangenehmen Konfrontationen.

„Dunkle Resonanz“ verfügt über einen ähnlich entscheidungsabhängig offenen Ausgang. Die Spielrunde schlüpft in die Rolle der Besatzung einer sowjetischen Abhörstation zum Ende des Kalten Krieges. Dabei stößt sie auf eine kosmische Bedrohung, die sich mit Atomwaffen abwenden ließe, was allerdings einen nuklearen Konflikt riskiert. Die Spielleitung muss in diesem Szenario parallele Entwicklungen und die Uhr im Auge behalten, was für eine gewisse Komplexität sorgt.

„Orkenspalter und der Mythos“ kann insgesamt sehr überzeugen

Insgesamt enthält „Orkenspalter und der Mythos“ fünf Szenarien, die verschiedene Rollenspielgeschmäcker bedienen und auch losgelöst vom Orkenspalter-Kontext sehr gut funktionieren. Ebenso eignen sie sich aufgrund ihrer kurzen Spieldauer sehr gut für den Einstieg oder ein unverbindliches Reinschnuppern in CTHULHU. Die Spielleitung sollte jedoch etwas Erfahrung mitbringen, da die zeitlichen Abläufe in „Der Jahrmarkt von Gillingham“ und „Dunkle Resonanz“ Vorbereitung und etwas Management während des Spiels erfordern.

Der Band ist also abwechslungsreich, einstiegsfreundlich, beinhaltet spannende Szenarien und ist somit sehr gut gelungen. Unterm Strich hat der Band „Ein Abend mit dem Grauen“ vor allem in der Ausarbeitung der Szenarien die Nase ein kleines Stück voraus, wenn es um knackige Abenteuer für einen Spielabend gibt.

„Orkenspalter und der Mythos“ ergänzt das Angebot jedoch auf passende und teils auch erfrischende Weise. Sprachlich bewegt sich der Band außerdem auf einem sehr guten Niveau, ist sauber strukturiert und nicht nur unterhaltsam für Orkenspalter-Fans, die einmal in die Rolle von Madame Obscure schlüpfen wollen.

Der Soundtrack für knackige Spielrunden gegen den kosmischen Schrecken: SARKE – Endo Flight / LES CHANTS DU HASARD – Livre Quart / ALTAR OF OBLIVION – In the Cesspit of Divine Decay

Würfeln und blättern, statt lauschen und headbangen – In der Rubrik „Dice ‚em All“ stellen wir euch ausnahmsweise keine Musik vor, sondern Rollen- und Brettspiele.

13.08.2024

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