Cthulhu - Namenloser Schrecken in der Alten Welt
Review
CTHULHU, das von den Geschichten H. P. Lovecrafts inspirierte Horror-Rollenspiel, wurde im Jahr 2015 generalüberholt und in siebter Edition veröffentlicht. Begleitend erschien die Anthologie „Nameless Horrors“, deren sechs Szenarien nun auch auf Deutsch in Zweierpacks erscheinen. Den Anfang machte „Namenloser Schrecken in Neuengland“ mit zwei Abenteuern im Nordosten der USA in den 1920ern, jetzt liegt auch der Band „Namenloser Schrecken in der Alten Welt“ vor, der ins Europa der 1890er führt.
Zwielichtige Gestalten auf zauberhafter Reise
„Ein unstillbares Verlangen“ beginnt im ostenglischen Ort Dunwich, der im Jahr 1895 seine besten Tage schon lange hinter sich hat. Im Mittelalter zerstörte eine Flut die wohlhabende Hafenstadt, die seitdem immer wieder von Stürmen geplagt wird. Die meisten Menschen hier sind arm und werden in die Kriminalität gezwungen. So auch die Spielfiguren, die sich als Schmuggler durchschlagen.
Diese tragischen Gestalten geraten zu Beginn des Szenarios nicht nur in einen Sturm, sondern auch unter den Einfluss eines uralten Zaubers. Mehr von der Handlung soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Das Szenario ist sehr offen gehalten, setzt die Spieler*innen mit einigen Eckpunkten aber unter Druck und beinhaltet eindrucksvolle Momente.
Die Hintergrundbeschreibung ufert aus und bietet wenig Orientierungspunkte. Eigentlich ist die Handlung nicht übermäßig kompliziert, das Szenario in seiner Struktur aber nicht elegant gestaltet. Zentrale Informationen sind teilweise in Personenbeschreibungen versteckt, eine kompakte Übersicht fehlt völlig.
Eine mysteriöse Muse
„Eine Sendung der Kunst“ ist hingegen ein fast schon biederes Szenario. In der Pariser Kunstszene lernen die Spielfiguren im Jahr 1892 eine mysteriöse Muse kennen, in deren Umfeld einige seltsame Dinge geschehen. Auch die Investigatoren selbst geraten nach und nach in den Bann der undurchsichtigen Dame, vor der außerdem eine gewisse Gefahr auszugehen scheint.
Zwar ist das Szenario sehr linear gestaltet und in Akte unterteilt, unterstützt die Spielleitung aber auch mit Hinweisen, welche möglichen Entwicklungen die Handlung nehmen kann. Dadurch ist das Szenario einerseits offen, wirkt aber auch beliebig, da die Entscheidungen der Spieler*innen stets relativiert werden können. Das Finale ist ähnlich strukturiert, sehr offen gehalten, aber eben auch etwas ziellos geschrieben.
Die guten Ideen gleichen die Schwächen aus
Auch das zweite Szenario lässt eine kompakte Beschreibung der Handlung vermissen. Beide Abenteuer sind also mit viel eigener Vorbereitung durch die Spielleitung verbunden. Bei „Eine Sendung der Kunst“ kommt hinzu, dass je nach Handlungsverlauf viel improvisiert werden muss.
Das sorgt für Abzüge in der B-Note, aber dennoch handelt es sich bei beiden Szenarien um sehr stimmungsvolle Geschichten, die jeweils ihren ganz eigenen Charme haben. „Ein unstillbares Verlangen“ birgt auf engem Raum eine gewisse Epik und bietet den zwielichtigen Schmugglern die Möglichkeit, über sich hinauszuwachsen. „Eine Sendung der Kunst“ bietet ein anspruchsvolles Setting und eine simple wie mysteriöse Handlung, die sich erst langsam rausschält.
„Namenloser Schrecken in der Alten Welt“ ist sehr abwechslungsreich
Die vorgefertigten Charaktere ermöglichen ein sofortiges Losspielen und bieten zudem Raum für spannende Dynamiken zwischen den Spielfiguren. An einem Abend wird jedoch keines der Szenarien durchgespielt werden können. Dies wäre auch schade, denn trotz ihrer Überschaubarkeit bieten sie viel Raum, um im jeweiligen Setting abzutauchen. Trotz einiger Schwächen in der Präsentation ist „Namenloser Schrecken in der Alten Welt“ ein gelungener Band mit zwei sehr guten Szenarien.
Der Soundtrack der alten Welt: ELECTRIC WIZARD – Witchcult Today / COVEN – Witchcraft Destroys Minds and Reaps Souls / TENTATION – Le Berceau Des Dieux
Würfeln und blättern, statt lauschen und headbangen – In der Rubrik „Dice ‚em All“ stellen wir euch ausnahmsweise keine Musik vor, sondern Rollen- und Brettspiele.