2012 entschuldigten sich CRYPTOPSY mit ihrem selbstbetitelten Album bei ihren Fans für ihre zwischenzeitliche Modern-Metal-Phase und machten ihren Hörern ein krachendes Friedensangebot, das zumindest den hiesigen Kritiken nach zu urteilen mehr als nur wohlwollend aufgenommen worden ist. Dann machten die Kanadier mit dem mehr als soliden Zweiteiler „The Book Of Suffering“ im EP-Format weiter und ließen seither auf neues Material in voller Länge warten. Aber das hat nun ein Ende, denn mit „As Gomorrah Burns“ steht seit elf Jahren das erste, neue Vollzeitalbum der technischen Schlagetot-Pioniere ins Haus, diesmal seit langem wieder in einem Labelhafen schiffend – und nicht irgendeinem.
CRYPTOPSY häckseln wieder in Vollzeit
Man kann die Sache im Grunde relativ kurz und knackig zusammenfassen: In „As Gomorrah Burns“ steckt CRYPTOPSY drin, aber das Album klingt schon so, wie die Kanadier auf einem dem Selbstbetitelten folgenden Album klingen sollten. Wer der gestörten Genialität des wegweisenden Referenzwerks „None So Vile“ nachtrauert, wird hier entsprechend auch nicht glücklich, aber „As Gomorrah Burns“ klingt konsequenterweise nach den modernen, reformierten CRYPTOPSY, was bedeutet, dass es wieder technisch, brutal und ohne unnötige Experimente aufs Fressbrett gibt. Man sollte sich dabei von dem generischen Albumcover nicht auf die falsche Fährte locken lassen, denn die Schlagetote um den vierarmigen Drummer Flo Mournier schlagen wieder einmal Haken um Haken und spielen ihre Hörer schwindelig.
Die Tech-Death-Welt um die Kanadier herum mag vorangeschritten sein, was Bands wie die Landsmänner ARCHSPIRE oder auch Vertreter wie OBSCURA verkörpern, aber die zum Teil doch herrlich enthemmte Natur von „As Gomorrah Burns“ verdient sich dann doch ihren Sitz in der aktuellen Todesbleiwelt. Bereits die ersten Töne von „Lascivious Undivine“ machen keine halben Sachen, sondern ziehen dem Hörer mit manisch zuckeligen, chromatischen Riffs, abgehackten Rhythmus-Fetzen und dem Gebelle und Gebrülle von Matt McGachy direkt den Scheitel, bevor dieser nach allen Regeln der Kunst gespalten wird. Mittendrin findet sich sogar Platz für ein paar nette, Moll-lastige Melodien, die den Song angenehm auflockern und von der songschreiberischen Reife des Quartetts zeugen.
Dabei halten die Kanadier ihr Momentum auf „As Gomorrah Burns“ aufrecht
„Lascivious Undivine“ macht seine Aufgabe als programmatischer Dosenöffner ausgesprochen gut, denn der Song zeigt im wesentlichen auf, wie es für die nächste knappe halbe Stunde weitergehen wird. Es sind wieder diese herrlich fies wuselnden, zyklischen Riffs von Christian Donaldson, die in Kombination mit Mourniers wunderbar nervösen Drumming diesen charakteristischen Sound ausmachen. Das klingt manchmal wie ein Schwarm Insekten, der gerade aus einer übel zugerichteten Leiche birst – man höre hierzu nur „The Righteous Lost“ um die 1:40-Marke. Dazu gibt man sich songschreiberisch abwechslungsreich mit haufenweise markigen Grooves, manchmal geradezu melancholischen Melodiebögen wie in „Flayed The Swine“ oder auch mal eine atmosphärische Wall Of Sound wie im abschließenden „Praise The Filth“, alles Elemente, die immer wieder in die fiesen Wutausbrüche eingefügt werden.
„As Gomorrah Burns“ klingt zu keiner Zeit zu fett und der hohe Grad an Aggression erledigt einiges an Fußarbeit, um das Moment des Albums aufrecht zu erhalten. Es verkommt aber nicht zum Selbstzweck, dafür sorgen die genannten, „geordneten“ Phrasen, die aufhorchen lassen, sowie die nach wie vor irre Unberechenbarkeit von CRYPTOPSY, die immer noch für einige fiese Twists im Sound gut ist. Dynamik wird also groß geschrieben. Nicht, dass man sich da hätte Sorgen machen müssen, aber es ist schön, dass die Kanadier diese Qualität so schön aufrecht erhalten können, gerade angesichts ihrer hiesigen Position im Stall von Nuclear Blast. Sie können es also noch und lassen sich auf „As Gomorrah Burns“ keine nennenswerten Schlappen zu Schulden kommen. Somit kann man den Tech-Death-Pionieren erneut Vollzug attestieren.
Auf die Scheibe freu ich mich richtig. Ein neues „None So Vile“ erwartet sicherlich keiner, aber Cryptopsy haben ohnehin schon gezeigt, dass sie Ihre 00er-Jahre Phase hinter sich gebracht haben und insbesondere mit den 2 EPs schon wieder gezeigt, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Die zwei Vorabsingles sind schon richtig stark und schön zu sehen, nachdem ja von den young Guns heuer keiner mehr Bock hat modernen DM, dass die alte Generation hier auch eine Art Vorreiterrolle einnimmt und zeigt, wie DM anno ’23 klingen kann, ohne dabei seine Wurzeln zu verleugnen und dass eine fette Produktion mitnichten von Nachteil ist. Frei nach dem Motto „I’ll do that rather well, dont you think?“ 😀
Bin schon gespannt auf die Scheibe, das Cover sieht schon mal Hammer aus.
Was für ein geiles Teil! Alles sitzt, die phänomenale Drumarbeit, ebenso die Gitarren und die Vocals.
Highlights: Flayed the Swine, The Righteous Lost, Praise the Filth
Schwieriges Album. Auf der einen Seite ist alles, was Cryptopsy ausmacht, vorhanden. Unvorhersehbar, chaotisch-explosiv, verworren und Flos Drumming (und explizit die Beinarbeit) ist so unsauber wie eh und je, trägt aber eben einfach zum Charme von Cryptopsy bei. Die unsägliche Sängerdiskussion ist nach 16 Jahren eig fehlplatziert, vor allem, weil McGachy seine Sache wirklich gut macht, aber ihm fehlt einfach die kranke Note eines Lord Worms, den ich nicht mal unbedingt großartig finde, aber er pointiert einfach den ganzen Cryptopsy Sound perfekt. Mit McGachy ist das alles gut, aber auch irgendwie austauschbar. Seis drum, auf der Haben-Seite steht dennoch das beste Cryptopsy Album seit 20 Jahren, eine nachvollziehbare Entwicklung, ein fantastischer Bass und ordentliche Songs (die Vorabsongs sind mMn die stärksten). Hatte mir vllt wegen des Albumtitels (Gomorra) etwas falsche Hoffnungen gemacht.