.crrust - Pain Is A Mere Sensation

Review

.CRRUST (mit Punkt!), oder auch „Costa Rica Rift United Scientific Team“ sind vier Studenten aus Moskau, die vor ein paar Jahren den lange gehegten Traum einer eigenen Band verwirklichten und sich zu selbiger zusammen fanden. Und dass, ohne überhaupt ein Instrument spielen zu können oder sonst irgendwie in diesem Bereich vorher tätig gewesen zu sein. Bei den meisten Bands ist es wohl umgekehrt, aber dass sollte sie nicht auf ihrem Weg beirren.

Schnell merkte man jedoch, dass man für akzeptable Liveauftritte doch einen gewissen Hintergrund braucht, und so verbrachten sie die folgenden Jahre mit eisernem Training. Ab 2005 traute man sich dann an die Öffentlichkeit, veröffentlichte im Juli des gleichen Jahres die EP „…doyouseekbeautyindirt?“ und debütierte dann auf voller Länge im November mit „You Came For The Everest – You Will Find Your Way Dead“.

„Pain Is A Mere Sensation“ ist nun Album Nummero 2 – und überrascht den Hörer gleich zu Beginn mit nur einem einzigen Track, der sich allerdings auf eine Dreiviertelstunde erstreckt. In dem Sektor, den die Russen beackern, sind überlange Songs sicherlich keine Seltenheit, aber 1-Track-Alben gehören dennoch nicht zum ganz normalen Tagesgeschäft.
.CRRUST stehen für Post-Hardcore, Post-Rock, Alternative und Experimentelles, dazu der Wahnwitz, all das in diesen einen Konzepttrack zu komprimieren, zu verdichten, um ihn beim Hörer explodieren zu lassen.
Von einem ‚Song‘, einem ‚Lied‘ im herkömmlichen Sinne kann man hier natürlich nicht mehr sprechen, vielmehr ist es eine große Bandbreite an Elementen, die hier aneinander, übereinander und nebeneinander strukturiert wurden – systematisch erzeugtes Chaos.
Für Liebhaber postmoderner Hardcore und Rocksounds fängt es gleich sehr vielversprechend an. Das erste Viertel startet heftig (nach einem sehr kurzen akustischen Intro, welches mich an NUMBER 12 erinnert, deren Platte „Mongrel“ ganz ähnlich beginnt), und wirft in den wirren Gitarrenlinien mit Breaks nur so um sich. Schon bald wird es allerdings durch eine immer intensiver werdende, emotionale Stimmung beherrscht, die ab der 12. Minute zu einem ersten Höhepunkt kommt. Gedrosseltes Tempo, starke Melodien und der durchgehende Schreigesang funktionieren hier prächtig.
Akustische Elemente werden zunehmend in den Vordergrund gerückt, eine trügerische Ruhe scheint sich einzuschleichen, bis noch einmal kurz das Chaos regiert und der Hörer zum zweiten großen Abschnitt des Albums übergeleitet wird.
Die Spannung hängt nun in der Schwebe: Einerseits hat es den Charakter eines ausklingenden Stückes (oder auch eines Livekonzerts), Drum-Rolls, einsilbige Riffs als Anheizer für das instrumentale Feedback – aber dennoch will die Musik nicht verklingen, das Tempo hat sich zwar extrem verlangsamt, aber noch immer wird der Puls des Werkes aufrecht erhalten. Kurz nach Erreichen der 26. Minute bäumt sich die Musik wieder auf, gewinnt wieder an Fahrt und nimmt nochmal alle Kräfte für einen letzten erbarmungslosen Niederschlag zusammen.
Weniger als zwei Minuten später scheint das Spektakel endgültig vorbei zu sein, aber nein – die Lebenslichter flackern noch immer, die letzten Töne sind noch nicht verhallt.
Nachdem der Schmerz in all seiner physischen Wirkung ausgekostet wird, geht es nun offensichtlich um die psychische Seite dieser Erfahrung. Wie in einer Traumwelt, in der andere physikalische Gesetze gelten, erfährt nun auch die Musik eine grundlegende Wandlung, wird bestimmt durch die zart angeschlagenen Saiten einer Akustikgitarre, elektronische Störgeräusche und Effekte, und ein stark verhalltes Schlagzeug. Experimenteller Ambient, Downbeat und eine Atmosphäre, die sich erst jetzt richtig zu verdichten scheint, und die mich ein bißchen an die genialen TRANSIENT WAVES erinnert. Kurz vor der 35. Minute führt der Bass dann ein neues Motiv ein, welches sich bis kurz vor Schluß hinzieht. Nachdem Bass, Gitarren und auch das Schlagzeug endgültig verstummt sind, bestimmen nur noch maschinelle Geräusche das Bild, bis auch sie in der Weite der Stille untergehen.

Ein beeindruckendes Werk, welches ich so anfangs nicht erwartet hätte, erstaunlich leicht zugänglich, und in seiner Entfaltung äußerst reichhaltig – und damit fernab davon, was man gewöhnlich aus diesem Sektor zu hören bekommt. Gekrönt wird das Ganze durch das sehenswerte Artwork, mit dem nicht nur das Cover, sondern auch Booklet und CD gestaltet wurden.

Dicke Empfehlung, nicht nur für Post-Moderne!

12.01.2008

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