Crimson Veil - Hex

Review

Soundcheck September 2024# 14 Galerie mit 24 Bildern: Crimson Veil – Unliving PicTour Show 2024 in Mannheim

Vermutlich lässt sich heutzutage wunderbar darüber streiten, ob Bands der eklektischen Sorte überhaupt Prog sind oder einfach nur Crossover. Auf der einen Seite ist es eine Herausforderung, viele Dinge sinnvoll unter einen Hut zu bringen, etwas, das Bands wie IGORRR brillant gemeistert haben. Andererseits kann man aber auch übers Ziel hinaus schießen. BIRDEATSBABY waren eine der erstgenannten Bands, die gefühlt alles mögliche in die Waagschale geworfen haben und daraus trotzdem irgendwie ein kohärentes Produkt formen konnten. Es scheint nun, als hätte ein Rebranding stattgefunden, denn die Briten treten nun in Form von CRIMSON VEIL in Erscheinung – und werfen ihr Debüt „Hex“ in den Ring.

Vorhang auf für CRIMSON VEIL

Sie starten ziemlich furios mit dem Titeltrack, einem progressiven Kracher, der sich recht komplex durch mehrere Taktarten durchwindet und einige Durchläufe benötigt, um verdaut zu werden. Der Gesang, der an ein Monster der Marke Jeckyll/Hyde gemahnt mit dem Unterschied, dass Mishkin Fitzgerald zwischen Lili Refrain, Maria Franz (EUZEN) und Marloes Voskuil (IZEGRIM) hin- und herschaltet, addiert eine erfrischende Mystik in den Mix hinein und das fleischige, sicherlich ein Stück weit von Alternative und Industrial Metal abgeleitete Metal-Gerüst untermauert das Gehörte mit angemessen hoher Gravitas, sodass der Sound ordentlich Präsenz im Raum einnimmt.

An dieser Stelle sei etwas tiefer auf den Sound eingegangen, soweit eine Katalogisierung überhaupt möglich ist. Stark vereinfacht ausgedrückt ist der Sound von CRIMSON VEIL vielleicht als vielschichtig arrangierter Alternative Metal mit ätherischem, bisweilen sogar sakralem Charakter beschrieben. Denn auch wenn wie in „Shift“ durchaus mal (hier in dem Falle sogar ziemlich klassische) Prog-Elemente ans Tageslicht treten, überwiegen zünftige, eindeutig der Moderne entstammende Alternative Metal-Vibes mit experimentellen Arrangements, atmosphärischen Melodien, aber auch bisweilen ziemlich durchschlagenden Rhythmen.

„Hex“ ist ein Monument der Klangtexturen

Das Ganze bewegt sich selten mit allzu hoher Schlagzahl voran, was den Arrangements aber umso mehr Freiraum zur Entfaltung beimisst. Die Texturierung der Melodien ist bei den Briten ohnehin das A und O im Sound und macht „Hex“ erst recht entdeckungswürdig. Seien es organische Instrumente wie Cello oder zahlreiche, ätherische Synths, die meist subtil durch den Raum flirren: Diese Effekte sorgen stets dafür, dass kein Leerlauf entsteht und halten die mit überraschend wenigen Refrains im klassischen Sinne („Illuminate“ z. B.) ausgestatteten Songs durchgehend im Rennen, wenn nicht gerade fleischige Gitarren die Arbeit erledigen wie zu Beginn von „Flinch“. Das zahlt sich aus, selbst beim überlangen Rausschmeißer „Task“ fällt das Gebilde nicht auseinander

Fitzgerald erweist sich gesanglich als waschechte Naturgewalt und scheint im Vorbeigehen zwischen ihren Gesangsmodi/Launen wechseln zu können. Mal schwebt sie mit transzendentaler Grazie über dem Geschehen hinweg, dann bezirzt sie mit Unmengen an Soul oder folkiger Sanftmut, nur im nächsten Moment einer Banshee gleich wie von Sinnen alles raus zu schreien, was keine Miete zahlt. Beschrieb unsereins das Album zuvor als Alternative Metal, so ist die Beschriftung unzureichend dahingehend, dass sich „Hex“ nie zu offenkundig in die Karten schauen lässt und die Band die Songs gerade sperrig genug gestaltet, um eine längerfristige Investition zu erfordern.

Trotz angemessener Sperrigkeit fasziniert das Debüt ungemein

Und letztlich ist es das reizvolle Gesamtpaket, welches diese Investition rechtfertigt, das Interesse der Hörerschaft erfolgreich zu binden weiß und sicherstellt, dass sich die Zeit auf Empfängerseite lohnt. CRIMSON VEIL bringen eine frische Note in das Genre hinein und schnüren ein eklektisches Paket, das dennoch wie eine Einheit fungiert, bei dem alle Zahnrädchen wunderbar ineinander greifen. Der Drahtseilakt, den die Briten bewältigen, ist beileibe nicht von annähernd diffiziler Natur wie jener der eingangs referenzierten IGORRR beispielsweise, aber das sollte hinsichtlich „Hex“ keineswegs abwertend verstanden werden. Was die Briten hier auf die Welt los lassen, ist schon ziemlich beeindruckend und gehört gehört.

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13.09.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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