Cranial - Dark Towers / Bright Lights

Review

Fieses Kino für die Ohren – so kann man „Dark Towers / Bright Lights“ von CRANIAL beschreiben. Die Herren steigen aus der Asche OMEGA MASSIFs empor und veröffentlichen einen vier Track starken Brocken, der weder einfach zu schlucken noch zu verdauen ist. Alleine der Klang ist überwältigend, in Standardbesetzung prügeln CRANIAL ein Statement ein, dass sich gewaschen hat. Jeder Schlag, jeder Ton und jede noch so kleine Nuance sind aussagekräftig in Szene gesetzt, sodass ganz automatisch Bilder vorm inneren Auge entstehen, an denen Hieronymus Bosch seine wahre Freude gehabt hätte.

Ein wahres Monster

„Dark“ stampft majestätisch und stark auf die Bühne, reckt und streckt sich, schlägt Furchen und Gräben, die scheinbar unüberwindbar scheinen. Bis etwas sanftere Gitarren die Szenerie aufklaren lassen und das Kunstwerk komplett machen, dramatische Ergriffenheit gesungen von Gitarren und sublimiert durch feinen Drumkünste. Schon nach dem ersten Song ist der Durchschnittsphantasierer komplett erschlagen, außer Atem und selig von soviel Inspiration. CRANIAL lassen durch Töne Bilder entstehen und gelangen mit ihrem Doom-Sludge-Post-Metal-Kunstwerk direkt über das Ohr in Herz und Hirn.

CRANIAL bedienen sich urtiefen Growls, die „Dark Towers / Bright Lights“ noch wütender und bedrohlicher erscheinen lassen und sogar PHANTOM WINTER (ebenfalls aus der Asche von OMEGA MASSIF entstanden und bis dato Anwärter auf den Nachfolge-Thron) abhängen.

CRANIAL vertonen die Finsternis in vier Akten

„Towers“ zeigt sich ebenso kratzbürstig, will sich nicht wirklich einer Stimmung unterordnen. Bemerkenswert ist hier das mehrfache kurze (eventuell ungewollte) Aufblitzen einer Hommage an „A Forest“ von THE CURE. Die Growls sind hier absolut dementorenhaft, gute Laune hat hier keinen Platz und das ist auch gut so. Nachdem alles schön in Schutt und Asche gelegt zu sein scheint, versucht „Bright“ mit Feedback und einzelnen Tönen die Hoffnung einkehren zu lassen.

Die Gitarrenwände scheinen sich mit dem Bassmonster zu duellieren, während das Schlagzeug begleitet und den Rahmen der Arena bildet. Generell ist „Dark Towers / Bright Lights“ sehr kräftezehrend und fordernd, CRANIAL eignen sich nicht zum „mal so“ hören,  fordern komplette Aufmerksamkeit und somit Auseinandersetzung mit ihrer Kunst. Wer dazu bereit ist, wird belohnt.

Besonders im abschließenden „Lights“ demonstrieren CRANIAL, wie man mit Tönen Bilder suggerieren kann. Das grenzt kompositorisch schon sehr an die Vorgehensweise klassischer Musik. Jede Stimmung scheint perfekt in Töne umkodiert, nach und nach saugen CRANIAL jede nichtige Empfindung aus dem Hörer, lassen ihn nackt und im Einklang mit der Musik zurück. Vollkommen verständlich, dass sich CRANIAL bezüglich Konzeption zu „Dark Towers / Bright Lights“ in unserem Interview Ende 2016 nicht in die Karten schauen lassen  – hierzu fährt jeder seinen eigenen Film, dazu braucht es keine Anleitung. Ergebt euch und hört zu!

03.02.2017
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