Coscradh - Of Death And Delirium

Review

Na, heute einen Tag zum Vergessen gehabt? Ist das Auto heute Morgen nicht angesprungen oder du hast die Bahn verpasst und kamst zu spät? Meint der Chef, heute wieder besonders viel Arbeit auf dir abladen zu müssen? Und die Kollegen nerven mit sinnbefreiten Gesprächen über gestrige TV-Shows? Auf dem Heimweg in der völlig überfüllten Bahn (Auto ging ja heute Morgen nicht) wird dir der letzte Rest von guter Laune von schreienden Kleinkindern und einer Gruppe von Halbstarken mit Handy-„Musik“ geraubt? Daheim waren im Briefkasten wieder nur Rechnungen und eine Erinnerung an den nächsten Zahnarzttermin? Und dann meint der Nachbar, deine erhoffte Ruhe mit Bohrmaschine und Gehämmer beim Aufbauen eines Ikea-Wandschranks im Keim zu ersticken? Als du dann noch feststellst, dass die Kaffeemaschine kaputt ist, weißt du: Das wird heute nichts mehr. Wenn du diese Tage kennst, dann ist hier ein 20-Minütiger Ausweg aus dem Alltag:

COSCRADH zeigen: Irland kann auch häßlich sein

COSCRADH ist eine relativ junge Band aus dem irischen Black/Death-Metal-Underground und veröffentlichen nach einem Demo ihre erste 3-Track-EP. Der Name „Coscradh“ kommt aus dem alt-irischen und bedeutet so viel wie „Gemetzel/Schlacht“. Und genau so klingen die beiden ersten Lieder dieser Platte. Der Opener „Disappeared“ macht keine Gefangenen und bläst dem Hörer eine schnörkellose Mixtur aus Black- und Death-Geballer um die Ohren. Die infernalischen Vocals, die sich Bassist „Hick O Aodha“ und Gitarrist „Ciarán Ó Críodáin“ teilen, scheinen wie aus einem tiefen Schlund zu entstammen, der sich irgendwo zwischen den schönen grünen Hügeln Irlands versteckt. Instrumental präsentiert sich der Song ziemlich chaotisch, sodass es schwer ist, einzelne Riffs oder Rhythmen herauszuhören. Die letzte Minute des Songs besteht dann nur noch aus Rauschen mit blasphemischen Schreien, die ankündigen, was anschließend noch folgen soll.

Das nachfolgende „Hangwoman“ knüpft nahtlos an das Outro an. Auch vom Stil her ähnelt der Song dem Opener sehr, weiß aber ein Stück mehr zu begeistern. Dies liegt unter anderem daran, dass hier die Gitarrenarbeit der beiden Gitarristen deutlicher hervorsticht. Eine gewisse Nähe zu BÖLZER ist nicht von der Hand zu weisen. Allerdings agiert man hier nicht so filigran und technisch wie das Schweizer Duo, sondern es bleibt weiterhin chaotisch, wenn auch etwas gezähmter und langsamer. Gerade durch die etwas langsamere Herangehensweise bekommt der Song eine noch fiesere Stimmung.

Ein nihilistischer Abgrund am Ende der EP

Bisher also eine sehr chaotische und aggressive EP, die sich wunderbar für den alltäglichen Frustabbau eignet. Doch beide Lieder sind nichts gegen das folgende Monster, dass sich „Saor sa hAnbháis“ nennt. Der Abschluss der Platte ist vertonter Nihilismus. Es zieht den Hörer in ein abgrundtiefes Moloch aus Schwärze und Verderben und mit jeder Sekunde versinkt man immer mehr in diese Untiefe. Alles Weltliche um einen herum wird auf einmal gleichgültig, denn man spürt nur noch Verderben um sich. Würde H.P.Lovecraft heute noch leben und Death Metal hören, er würde „Saor sa hAnbháis“ lieben. Denn der Song könnte auch ein Soundtrack zu einem seiner Bücher sein.
Das Ganze irgendwie musikalisch zu beschreiben, fällt schwer. Man stelle sich vielleicht eine pechschwarze doomige Version von SULPHUR AEON gepaart mit Disharmonien der Marke DEATHSPELL OMEGA vor. Dazu noch das bandeigene Chaos und gerade im letzten Drittel unmenschliche Schreie direkt aus den tiefsten Abgründen. Nach guten zehn Minuten ist dieses Anti-Epos vorbei und man kommt wieder im Diesseits an.

Während der Fokus am Anfang der EP noch eher auf Chaos und Aggression lag, so zeigen COSCRADH in ihrem dritten Song, welches Potenzial in ihrer Musik steckt. So werden die knapp 20 Minuten ein durch und durch intensives Erlebnis. Gerade „Saor sa hAnbháis“ schafft es eine Atmosphäre aufzubauen, in der man förmlich versinken kann und die ich in der Form selten erlebt habe. Wenn man sich wirklich darauf einlassen kann, dann schafft es die Platte, was ich eingangs schrieb: Sie lässt den Alltag in all seinen Facetten für eine kurze Zeit vergessen.

17.11.2017

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1 Kommentar zu Coscradh - Of Death And Delirium

  1. Russian Single - Hot and Sexy! sagt:

    Erstaunlich, dass man bei metal.de heute für so eine Soundproduktion 9 Punkte erhalten kann. Früher hat man hier Musiker und Fans, die so etwas mochten ausgelacht. So kann man sich irren und die Zeit sich wandeln. Der Beispiel Song ist großartig!

    9/10