Converge - Axe To Fall
Review
Lag der Reiz ihres Vorgängers „No Heroes“ darin, sich keinen Reim auf einen scheinbar neuen Aggregatszustand von Konfusion und eine neue Mischung aus heilig-zürnenden Rabaukenposen und Kunstanspruch machen zu können, besteht er jetzt darin, neue Qualitäten ihrem abstrakten Sound-Kompositionsstils abzuringen. Mit jedem neuen Album schenken sie Hardcore neue Relevanz. Prächtig, was CONVERGE von Platte zu Platte aus dem Kompost dieser ehrbaren Musikgattung züchten. Die Biografie der Amerikaner ist ohnehin das Sinnbild für eine formwandlerische Evolution des Hardcore Kontinuums: Als eine gemeine, sich gesellschaftlicher Verwertbarkeit verschließende Band etabliert, hatten sie schnell damit begonnen, sich jenseits der Szene nach Geistesverwandten umzuschauen und ihr musikalisches Terrain neu zu vermessen, um ihren Ruf als eine der individuellsten Hardcore-Bands zu festigen. Etwas bedächtiger, robuster und rumpflastiger in seinem pelzigen Walzen als der Vorgänger klingt „Axe To Fall“, aber zugleich auch knackiger und härter. CONVERGE verblüffen über die bloße Breite dessen, was geht.
Wer vorab im Internet bereits auf den Track „Dark Horse“ gestoßen ist, dem dürfte aufgefallen sein, dass es einen solchen rasend klöppelnden Punk-Galopp bei dieser Band noch nie gegeben hat. Der entscheidende Parameter ist hier Beschleunigung. Man spürt die Geschwindigkeit, hat das Gefühl, unterwegs zu sein. Auch die nächsten drei Songs („Reap What You Sow“, „Axe To Fall“, „Effigy“) schießen dem Hörer in höchstem Tempo, kompromissarm und jeweils unter drei Minuten ins Gesicht. Besonders hübsch dabei: die Kompaktheit, mit der CONVERGE ihre Momente aus Hardcore, Noise und Metal stramm bündelt und doch den übersteuerten, säurehaltigen Gitarrenfiguren und ihrem grollenden Bass und der stadtbekannten Stimme viel Raum lässt.
Manchmal ordnen die Riffs und Rhythmen sich gefügig dem unermüdlich kreisdrehenden Gesang von Jacob Bannon unter und sind dann gerader als sonst gewohnt – um dann jedoch, überraschend und effektvoll, wie immer, in wüst zusammengestoppelten Klangballen abzubrennen und zu detonieren. Insgesamt scheinen aber doch die Songstrukturen diesmal ein klein wenig deutlicher und klarer hervorzutreten. Der Begriff der Eingängigkeit steht allerdings noch meilenweit vor den Toren ihres Universums. Denn, da kann man sich nichts vormachen, dies ist schon eine konsequent anstrengende, man möchte fast sagen: hässliche Musik, mit dem strengen Geruch asozialer Verwanztheit, wie sie so bucklig, gurgelnd und kreischend dahergemahlen kommt und böse tut.
Schleppendere, klaustrophobisch enge Elemente bestimmen die Klangfarbe der zweiten Hälfte des Albums: „Worms Will Feed / Rats Will Feast“, „Wishing Well“ wirkt trotz seines peitschenden Beats behäbig, „Damages“ verbreitet durch Ausdehnen der Schallweite eine dichte Atmosphäre, aber keine kosmische Prätentionen. Bedächtige, ruhige Passagen gibt es auf „Axe To Fall“ mehr, als die infernalischen Konzerte, bei denen man öfter mal das Gefühl hatte, die Band verfolge die Absicht, ihre Songs kaputt zu machen, vermuten lassen. Dennoch hat man nie das Gefühl einer auf der Ebene von Freundschaft und sozialen Konstellationen erzielten Übereinstimmung. Das hinterhältig-verbissene Getriebe dieser Musik bleibt immer in Gang. Selbst in der Stille ist die ungewaschene Kraft zu spüren. „Cruel Bloom“ ist schlechtgelauntes Genöle in dunkelbunt ausgepinselter JACKIE-O-MOTHERFUCKER-Poesie, dessen ungewaschener Gesang NEUROSIS-Mastermind Steve von Till beisteuerte; erst nach drei Minuten setzen noch einmal die schweren Gitarren ein, um dann im sieben-minütigen „Wretched World“ endgültig zu verstummen: der letzte Song ist ein (angenehm) böser Traum im dunklen Dampfbad dufter Delirien; geil, wie sie hier in diese schwebenden und dabei expandieren Landschaften Melodien einpflanzen, die dem Vergessen nie mehr anheim fallen werden.
Converge - Axe To Fall
Band | |
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Wertung | |
User-Wertung | |
Stile | Hardcore / Grindcore |
Anzahl Songs | 13 |
Spieldauer | 42:04 |
Release | 2009-11-18 |
Label | Epitaph |