Grenzerfahrungen sind der eigentliche Motor des Verstehens, Wegweiser auf dem Pfad der Erleuchtung. Geburt und Tod, Schöpfung und Vernichtung. Der Blick über den Tellerrand, der sich einst Erde nannte, der Blick zurück in Äonen der Vergangenheit, von denen uns das Licht erzählt, welches seit Jahrmillionen im All auf Reisen ist. Löcher im Himmel, Fußabdrücke auf dem Mond, menschliche Technik im interstellaren Raum – die Erde, sichtbar durch einen kleines Fenster in einer orbitalen Raumstation, klein und verletztlich erscheint sie gegenüber dem Größenwahn der Menschheit, sie beherrschen zu wollen.
Es gibt Momente, in denen sich unser geistiges Auge öffnet und sieht – Dinge, die wir uns nie erträumt hätten, die unsere Vorstellungskraft sprengen, die unser Leben komplett verändern, oder vernichten können. Eine faszinierende Vorstellung dieser Art ist der Blick auf das Leben ansich, auf die Geschichte der Menschheit, wie sie begann, wie sie gegenwärtig abläuft, und wie sie sich in Zukunft entwickelt.
Die Holländer von CHD öffnen uns auf „Terminal World Perspective“ ein solches Fenster, ein Konzeptalbum vom Anfang und Ende der Geschichte, vom Anfang und Ende des Lebens. Das Album entfacht eine Urgewalt an Energie, es explodiert und die Fragmente entfalten ein vielschichtiges musikalisches Spektrum, welches seinen Körper in modernen Black Metal Arrangements findet. Man könnte es schon als Black Metal der Postmoderne bezeichnen, Extravaganz der Extraklasse. Das epische Meisterwerk erstreckt sich über neun ineinander übergreifende Akte von pfeilschnellem, harschen Black Metal, kalten und lebensfeindlichen Industriallandschaften, sphärische Passagen von kosmischer Erhabenheit. All das wird in vielen komplexen Strukturen miteinander verwoben, dutzende, hunderte einzelne Ebenen verbinden sich zu einer Klangwand, die den Hörer niederwalzt, mitreißt und emporhebt. Wie der Astronaut beim Außeneinsatz blickt man plötzlich auf das große Ganze, sieht, wie sich die Songs in all ihrer Brutalität und Schönheit entfalten. Da, wo an einem Ort wahre Wirbelstürme völlige Verwüstung verbreiten, erblüht an anderer Stelle neues, zerbrechliches Leben…
Wir hören die Hymnen, die aus dem Hintergrundrauschen des Universums zu uns vordringen (wie etwa in „The Creation Equivalence Principle“) und erblicken gleichzeitig universale Schönheit („Transpherium“).
„Terminal World Perspective“ ist wie ein Ozean ein ungestümes Monster, entfacht Orkane von Hyperblasts und ist im nächsten Moment so unschuldig wie ein Gebirgssee in den Alpen. Das Drumming stammt zwar aus dem Computer, passt sich aber wunderbar in den Gesamtsound des Albums ein: Einerseits kalt, steril, brachial – andererseits warm und harmonisch, je nachdem, in welchem „Zeitalter“, in welcher Epoche der Geschichte wir uns gerade befinden. Auf ihrem Debüt vereinen die Holländer Avantgarde Black Metal mit zahlreichen Industrialelementen und symphonischen Synths, unzähligen Effekten und Samples, hinzu kommen Einflüsse aus Post-Rock, Dark Ambient und sogar ein bißchen Neoklassik.
Man muss aufgeschlossen für diese komplexe Melange sein, aber wer sich ihr öffnet, dem wird auch sie sich öffnen – und dieses Erlebnis sollte man sich wahrlich nicht entgehen lassen! Für mich der erste Anwärter für das Album des Jahres im extremen Metal, verdiente neun Punkte für ein Meisterwerk, welches ein Ausmaß an Innovation, Kreativität und Kraft versprüht, von dem viele Bands träumen, und was die meisten nie erreichen.
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