Eine Band, die “Horrormetal“ als Stilbezeichnung verwendet, gibt dem Rezensenten damit eine Steilvorlage für einen Verriss – denn was ist vernichtender als das Urteil “Eure Musik hat mich das Fürchten gelehrt“? Das war jetzt natürlich nur ein einleitender Witz und ich hoffe auch im Interesse von CONTAMINANT, dass ihr Debüt “Masquerade“ mich nicht schreiend davonlaufen lässt. Und so lasse ich den in der Band-Info geäußerten Wunsch, eines Tages mit “etablierten Szenegrößen“ wie DIMMU BORGIR oder CRADLE OF FILTH auf der Bühne zu stehen, lediglich als erste Orientierung gelten und zunächst die Musik selbst sprechen.
Die macht erstmal gar keinen schlechten Eindruck: Das fast ausschließlich aus elektronischen Elementen bestehende “The Worm’s Eye“ zeigt stilvollen Umgang mit Synthesizern, die eben gar nicht nach CASIO-Billig-Keyboard, sondern sehr ausgereift und gut gewählt klingen, DIMMU BORGIR sind hier tatsächlich nicht allzu fern! Einige zielsicher eingebaute Sprachsamples machen “The Worm’s Eye“ zu einem gelungenen Auftakt. Leider kann dieses Niveau in den nachfolgenden metallischen Songs nicht gehalten werden. Da wären zunächst die Gitarren: Die sind nicht nur zu leise, sondern auch in ihrem Sound zu zahnlos, um mir als Hörer wirklich eins überbraten zu können. Im direkten Vergleich steht die allgegenwärtige (aber bei Weitem nicht kitschige!) Synthetik zu weit im Vordergrund – dabei ist deren Lautstärke im Mix ganz anständig. Bei genauerem Hinhören entpuppen sich die Riffs, die den beiden Gitarristen da entspringen, dann als Durchschnittsware – alles irgendwie schon oft gehört (apropos: Klingt das Eingangsriff vom Titelsong “The Masquerade“ nicht ein bisschen sehr nach “Phantom der Oper“, oder geht das nur mir so?). Sagte ich BEIDE Gitarristen? Ich habe extra nochmal nachgeschaut: Da stehen zwei Gitarristen in Booklet und Band-Info; einmal Lead-, einmal Rhythmus-Gitarre. Von Lead-Gitarren höre ich aber eher selten etwas – ab und zu gibt es mal so etwas wie melodische Einschübe oder ein recht anständige Sologitarren in “Vicious Circle“ und „Sheitan“, einen Großteil der Zeit über spielen beide Gitarren jedoch brav das Gleiche. Das könnte natürlich ein weiterer Grund sein, warum die Saitenfraktion so dünn klingt…
Das Schlagzeug krankt dagegen glücklicherweise nicht an dünner Produktion – ich glaube, wenn man im Mix Drums und Elektronik so gelassen und dafür Gitarre und Bass etwas reingedreht hätte, klänge “Masquerade“ mehr nach HorrorMETAL. Der Gesang, der von gleich zwei Bandmitgliedern übernommen wird, weist im Gegensatz zu den recht einfallslosen Gitarren sehr viel Abwechslung auf: Neben tiefen Growls gibt es auch nicht ganz so tiefe und eine Art Kreischgesang; in Dani Filth’sche Höhen verirren sich die Herren glücklicherweise nicht. Dazu kommen enorm viele Effekte, die dem Gesang mehr Varianz, leider aber auch weniger Verständlichkeit verleihen. Dadurch werden die Vokalleistungen natürlich etwas farblos – die leicht bis mittelstark klischeebehafteten Texte springen einfach nicht direkt ins Ohr, was angesichts des manchmal sehr “deutschen“ Englischs auch gewisse Vorteile hat.
Alles in allem weist „Masquerade“ produktionstechnisch einige Schwächen auf – bei einer Eigenproduktion und noch dazu dem Debüt ist da auf kommenden Veröffentlichungen also noch Luft nach oben. Andererseits hätte man, zumindest meiner Meinung nach, einen Teil des Geldes, welches in das professionell gestaltete, 12-seitige Farbbooklet und die Pressung der CD gesteckt wurde, in die Produktion investieren können, denn ganz ehrlich: Die Musik steht im Vordergrund, da kann die Aufmachung noch so gut sein. Ich will auch gar nicht wissen, was CONTAMINANTs .com-Domain kostet.
Dass “Masquerade“ mit einem amtlichen Klang ein echter „Knaller“ wäre, bezweifle ich aber dennoch. Das liegt zum einen an der Gitarrenfraktion, die für einen bleibenden Eindruck einen gehörigen Schub Eigenständigkeit vertragen könnte; zum anderen zeigen auch die Arrangements der Songs hin und wieder Schwächen – zum Beispiel dann, wenn Schlagzeug und Gitarre sich nicht ganz einig sind, welches rhythmische Muster gespielt werden soll: Das mag Stilmittel sein, wirkt aber eher nicht ganz zu Ende gedacht. Allen Mäkeln zum Trotz sind die Jungs von CONTAMINANT an ihren Instrumenten für ihren Stil ausreichend fit, bis auf minimale Timing-Fehler gibt’s an der technischen Umsetzung überhaupt nichts zu nörgeln. Auch die Präsentation des Albums kann sich sehen lassen, angefangen beim schon genannten Booklet mit allen Texten über die schicke CD bis zu den an CRADLE OF FILTH erinnernden, nichtsdestoweniger professionellen Bandfotos. Nach dazu ist CONTAMINANT eine relativ junge Band (Durchschnittsalter 21), die in dieser Besetzung erst seit 2006 existiert, und hat sicherlich noch Potential. Für ein erstes Lebenszeichen ist “Masquerade“ aber viel zu harmlos, um mich im positiven Sinne das Fürchten zu lehren. Im negativen zum Glück auch nicht, also: Weitermachen.
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