Conjurer - Páthos

Review

Soundcheck August 2022# 4 Galerie mit 15 Bildern: Conjurer - Summer Breeze Open Air 2022

Die Briten CONJURER haben seit ihrem Debüt „Mire“ von 2018 eine kleine, aber eingeschworene Untergrundgemeinde um sich geschart, die den Mix aus Post-Hardcore mit Sludge- und Deathcore-Versatzstücken sehr feiert. „Páthos“ schickt sich nun vier Jahre später an, es dem erfolgreichen Debüt nachzutun, dabei aber diverser sich aufzustellen. Einflüsse aus dissonantem Death Metal, Deathcore und selbst Black Metal lassen sich hier in den Stücken finden, die meistens zwischen sechs und sieben Minuten Laufzeit pendeln. Auch die moderne, brachiale Produktion von Will Putney lässt neben manchem Breakdown an die Amerikaner FIT FOR AN AUTOPSY denken. Die Herkunft aus dem Hardcore ist hier aber immer noch zu vernehmen.

Hardcore, Melodie und Dissonanz verschmelzen zu „Páthos“

THE DILLINGER ESCAPE PLAN lugen als Referenz in manchen Mathcore-Momenten wie im punkigen, aggressiven Zweiminüter „Suffer Alone“ mal kurz vorbei, auch wenn CONJURER vielleicht nicht ganz so abgefahren wie die Amerikaner agieren. Aber auch der manchmal etwas monotone Schreigesang der Gitarristen Brady Deeprose und Dan Nightingale erinnert daran. „It Dwells“ startet das Album noch ein wenig gemächlich, aber durchaus abwechslungsreich und auch heavy, ehe der Vorschlaghammer im zweiten Track ausgepackt wird.

Denn „Rot“ ist in Sachen Dissonanzen und langsamer Riff-Tortur wirklich hervorzuheben: langsamer Spannungsaufbau, simple, aber wahnsinnig wirkungsvolle und finstere Riffs wie auch Drum-Grooves zerdreschen hier unnachgiebig Nacken wie Hirn. Ein Kommentator unter dem Youtubevideo verglich das mit dem Ziehen von Leichen durch Moorschlamm und das ist eine seltsame wie auch ungemein passende Analogie.

Der Kontrast aus manchmal schon lieblich (fast schon pathetisch 😉 ) zu nennender Melodie mit anschliessend fiesen dissonanten Akkorden macht hier unwahrscheinlich viel Spaß und lässt den Hörer sich ständig fragen, mit welchen weiteren Ideen CONJURER als nächstes um die Ecke kommen. Das hält „Páthos“ trotz fast fünfzig Minuten Spielzeit jederzeit frisch und spannend. „All You Will Remember“ wäre da ein gutes Beispiel für den eher „pathetischen“ Ansatz. Die Atmosphäre atmet eher Indie- oder Post-Rock-Vibes, es kommt sogar Cleangesang der Gitarristen wie auch ein weiblicher Spoken-Word-Part neben cleanen und akustischen Gitarren zum Einsatz, ehe es fast in Black-Gaze-Bereiche solcher Bands wie AN AUTUM FOR CRIPPLED CHILDREN oder DEAFHEAVEN kurz am Ende geht. So funktioniert Abwechslung, Emotion und Storytelling mittels Musik! Und da können sich andere Bands dicke Scheiben bei CONJURER abschneiden.

CONJURER haben den erfolgreichen Mix

Die subtile Bassarbeit von Connor Marshall setzt vor allem in den ruhigen Momenten Akzente und auch das Schlagzeug von Jan Krause weiß nicht nur auf Angriff zu gehen, sondern auch komplexer, aber immer noch songdienlich zu agieren.

„Basilisk“ wiegt nach ruhigem Einstieg fälschlicherweise in Sicherheit, ehe wieder dissonante Riffs in die Magengrube schlagen, aber trotzdem auch durch die ein oder andere Dur-Melodie und Arpeggien  hymnischere Momente Einzug erhalten. Das erschafft ein Wechselbad der Gefühle aus Ruhephasen voller zerbrechlicher Schönheit und dem kalten Betongrau der Welt in Form von abartigen Breakdowns, Black-Metal-Tremolo-Leads oder Doublebass-Attacken.

Auch „Those Years Condemned“ startet mit cleanen Gitarren, Start-Stopp-Dynamik und generell melancholischer Ausrichtung, ehe erneut der Verweis zu Post-Black-Metal-Bands gemacht werden könnte. „In Your Wake“ stolziert mit Doom-Erhabenheit umher und lässt ebenfalls viel melancholische Melodie mit einfliessen, vor allem sind es hier wieder die ruhigeren Passagen, die auch dank Will Putneys Produktion wieder exzellent in Szene gesetzt werden, hier seien erneut Bass und Schlagzeug hervorgehoben, die dadurch besonders effektiv wirken.

„Páthos“ könnte verschiedene Genre-Liebhaber vereinen

Rausschmeisser „Cracks In The Pyre“ lässt sich ebenfalls Zeit und hat eine wesentlich getragenere Herangehensweise, mit akustischer Eröffnung, Wasserrauschen und versäuseltem Sprechgesang mit ordentlich Delay, die bald darauf von der stampfenden Hardcorekante abgelöst werden. Auch die so typisch sirrenden Post-Leads gesellen sich dazu, zum Schluss darf dann aber noch ein wenig hoffnungsvoller aus „Páthos“ entlassen werden. Auch wenn alles auf „Páthos“ vielleicht nicht komplett neu oder super  herausragend ist, die Stärke von CONJURER liegt eindeutig in der effektiven Mischung aller verschiedenen Elemente.

So schön hat das schlicht schon lange keine Band mehr bewerkstelligt. Sofern ihr auch nur im entferntesten auf Bands wie CONVERGE, CULT OF LUNA oder FIT FOR AN AUTOPSY steht, solltet ihr CONJURER definitiv ein Ohr leihen. Der Vergleich allein sollte auch schon dafür sprechen, wie viele unterschiedliche Einflüsse sich hier vermischen und für welch eine Bandbreite an verschiedenem Publikum CONJURER interessant sein könnten. Als neue aufstrebende Band im Metal/Hardcoreuntergrund sind die Briten für die Zukunft definitiv im Auge zu behalten.

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20.06.2022

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14 Kommentare zu Conjurer - Páthos

  1. Schraluk sagt:

    Tolle Platte. Finsteres Teil. Der Stilbruch von der ‚Mire‘ zur ‚Pathos‘ haut einen ähnlich vorn Latz, wie der von Erdve. Mir gefällt das außerordentlich gut. So n ganz lütten Black Metal Touch hatten die aber vorher auch schon.

    Und NB jetzt ist ja wohl auch richtig geil. Richtig gutes Label. Alles klingt gleich. Geil. ***

    8/10
  2. Schraluk sagt:

    Die Trias Cult Of Luna, Converge und FFAA ist nun aber doch ein bisschen unterkomplex.

  3. der holgi sagt:

    WAS
    FÜR
    EIN
    BRETT

    9/10
  4. Wattutinki sagt:

    Mir ist das viel zu glatt. Typischer NB Sound für die Massen, aber wem es gefällt.
    Kunst ist etwas anderes als diese 08/15 Stangenware vom NB Reißbrett. Wieder eine Band die sich verkauft hat.

  5. Vlad_the_Impala sagt:

    „Watutinki“, mit einem (1) „T“, nachsitzen!

  6. ClutchNixon sagt:

    Copy/paste? Bitte, bitte lieber 2
    Watu ignoriere doch in Zukunft einfach NB Teleases 🤦‍♂️

  7. onlythewindremembers sagt:

    Wo ist das denn bitte zu glatt produziert? 😅

  8. Wattutinki sagt:

    „Wo ist das denn bitte zu glatt produziert? “
    Wenn einem über Jahre immer der gleiche als total heavy beworbene Sound vorgesetzt wird, dann fällt einem das natürlich nicht auf. Oder man will es einfach nicht hören, weil es dem eigenen Anspruch genügt. Jeder wie er es mag, aber ich habe da schon höhere Ansprüche als immer und immer wieder den gleichen Sound zu hören, der wechselnden Bands übergestülpt wird.
    Stellt euch doch mal vor Sibelius hätte alles wie Bach komponiert? Wo wäre denn da die nordische Seele geblieben?

  9. ClutchNixon sagt:

    Hä? Komposition und Sound sind nun aber doch gegensätzliche Dinge. Ich glaube in all deinem ‚Anspruchsdenken‘ bekommst du doch einiges durch Tüddel 😉

  10. nili68 sagt:

    Anspruch ist eh überbewertet, genau so wie Kunst an sich, zudem höchst subjektiv, aber manchmal fällt einem halt nichts Besseres ein, wenn man einfach etwas scheiße findet und das trotzdem irgendwie sinnhaft klingen soll. Im Endeffekt ist das aber so, wie bei allem, was in Internetforen so abgesondert wird: Who gives a fuck? Solange es wenigstens unterhaltsam ist.. 😀

  11. Daemion sagt:

    Zappelte bei mir zw. 7 und 8 .. kratzt jetzt aber mehr an der 9er Marke … Habe das Album jetzt mehrmal durch und muss sagen, das ganze Album hat eine breite Dynamik mit viele Höhen und Tiefen, von der Stimmung her wie auch von der technischen Vielfalt her. Klasse!

    Ich bin zwar nicht so der post-Kenner, aber hier werde ich oft von gewissen Parts gecatched und gewinnt gekonnt meine Aufmerksamkeit! Sehr schön!

    8/10
  12. Watutinki sagt:

    Um meinem nervigen Alter Ego mal was entgegen zu setzen, produktionstechnisch hätte ich selbst so etwas sicher anders abgemischt, aber objektiv gesehen ist daran nicht’s auszusetzen. Das Deathcore Zeugs ist halt nur musikalisch nicht meine Welt, daher kann ich damit auch nicht so viel anfangen und enthalte mich einer Wertung.

  13. Berthold.Brechteisen sagt:

    Schwanke bei dem Album irgendwo zwichen aucht und neun Punkten, da der letzte Funke bis heute nicht überspringen wollte. Trotzdem ein großartiges Album, das wie schon der Vorgänger sehr abwechslungsreich daher kommt. Mire war für mich insgesamt gesehen aber noch ein gutes Stück bekömmlicher, und auch Live sind die wirklich sehenswert.

    8/10
  14. Schraxt sagt:

    Ein absolutes Meisterwerk. Persönlich würde ich den Stil eher als Blackened Death-Sludge bezeichnen. Sludge enthält Hardcore-Elemente, aber als Deathcore würde ich das ganze nie und nimmer bezeichnen. Man findet die Band ja auch auf den Metal Archives 😉
    Zum Album kann man nur eines sagen: Das ist ein Meisterwerk. Alles sitzt. Definitiv kein easy-listening, aber dafür funktioniert es wenn man sich Zeit nimmt auf so vielen Ebenen. Man kommt fast schon in eine Art Trance, etwas, was ich so zum Beispiel auch von Sleeps‘ Dopesmoker kenne.

    10/10