Code Orange - Underneath

Review

Spätestens ihr Roadrunner-Debüt „Forever“ machte CODE ORANGE 2017 zu absoluten Kritikerlieblingen. Auch die Szene zeigt sich beeindruckt: „Someone call the brutality police, because this album crushes.“ (Randy Blythe, LAMB OF GOD). Als Toursupport für GOJIRA bot sich kurz darauf die perfekte Gelegenheit, den Lorbeerkranz mit amtlichem Live-Abriss zu vergolden. Drei Jahre später wollen CODE ORANGE sich nun mit „Underneath“ endgültig als einer der spannendsten Hardcore-Acts unserer Zeit etablieren.

Funktioniert die musikalische Formel von CODE ORANGE noch?

Die Entscheidung, den abschließenden Titeltrack des neuen Albums als Leadsingle auszukoppeln, dürfte zunächst für einige Irritationen in der Fanbase gesorgt haben. Ein Alternative-Rock-Song mit Industrial-Anleihen, stimmlich durch Gitarristin Reba Meyers sicher auf einen hymnischen Weg gebracht? Haben CODE ORANGE ihre eigene psychotische Formel aus Hardcore, Noise, Metal und Industrial durchgespielt und setzen nun auf ein erhofftes Grunge-Revival? Oder ist handelt es sich bei „Underneath“ lediglich um „Bleeding In The Blur“ 2.0?

„Underneath“ zerstreut derlei Bedenken beim ersten chronologischen Hören ziemlich effektiv. Das alptraumhafte Intro „(deeperthanbefore)“ braucht nur wenige Sekunden, um Hörerin und Hörer wieder voll auf das kranke und nihilistische Moment in der Musik von CODE ORANGE einzustellen – dräuende HANS-ZIMMER-Sounds und plötzlich einbrechendes White-Noise-Gekreische machen es möglich.  Mit „Swallowing The Rabbit Whole“ bricht dann ein knapp vierminütiges Inferno aus, das Uptempo-Parts, Breakdowns, verstörende Industrial-Parts und genau das richtige Quäntchen Melodie in Perfektion kombiniert.

Von hier an machen CODE ORANGE erstmal keine Gefangenen mehr. „In Fear“ ist einheitlicher, aber kein Stück weniger brutal strukturiert. „You And You Alone“ sorgt mit seiner generellen Abgefucktheit und kleinen Gimmicks, wie dem präsenten Ride-Geklimper von Jami Morgan, für zufriedenstes Kopfnicken. Überhaupt sind es die Details, die „Underneath“ an vielen Stellen durch die innovative Brutalität hindurch schimmern lassen. Die Songs sind voll von Beat-Spielereien, verwirrenden musikalischen Aussetzern, Vocal-Samples („Let’s take a good look at you“) und atmosphärischen Soundteppichen.

„Underneath“ setzen vermehrt auf Abwechslung

Gerade in der zweiten Albumhälfte kommt man jedoch auch nicht umhin zu bemerken, dass CODE ORANGE diesmal doch deutlich mehr auf Abwechslung gesetzt haben. Die Hassbrocken (vgl. das programmatisch betitelte „Cold Metal Place“) wechseln sich zunehmend mit den eingängigeren Auftritten von Meyers ab (die übrigens, was nicht vergessen werden sollte, zumindest live auch sehr furchteinflößend schreit). Hier aber sorgt sie für ein paar wirkliche Ohrwürmer, die zwischenzeitliches Durchatmen erlauben, dabei aber keineswegs trivial wirken. So erinnert „Sulfur Surrounding“ an die bedrohlichen PANTERA-Balladen, bei denen hinter jeder Ecke Dimebags Signature-Sound lauert, nur eben mit dem entscheidenden Mehr an Stimmen und Stimmungen. Wer noch mehr von Meyers Gesangsstimme hören will, sollte übrigens dringend das CODE-ORANGE-minus-eins-Projekt ADVENTURES auschecken.

„Underneath“ zeigt insgesamt ein in all seinen Facetten verfeinertes Projekt CODE ORANGE: Brutal, verstörend und auf eine ziemlich perfide Art catchy. Besser hätte die Antwort auf die über drei Jahre intensivierte Erwartungshaltung nicht ausfallen können.

13.03.2020
Exit mobile version