Ein Album wie „Mut“ erforderte durchaus Mut, wenn man bedenkt, wo CODE stilistisch einst angefangen haben, unabhängig davon, was man als Hörer vom Ergebnis halten mag. Andererseits zeichnete sich die in Großbritannien beheimatete Combo schon immer durch ein gerüttelt Maß an Experimentierfreude aus. Nun, „Mut“ ist auch schon sechs Jahre her, zwischenzeitlich machte die EP „Lost Signal“ die Runde, in der die Band verschiedene Songs ihrer Diskografie genommen und ins stilistische Gegenteil umgewandelt hat. „Flyblown Prince“ ist nun das neueste Lebenszeichen in voller Länge, das erste unter neuer Labelheimat – und es setzt wieder auf die schwarzmetallische Seite des Quintetts.
Es wird wieder schwärzer im Hause CODE
Fiel dem ein oder anderen Vorredner die eindeutige Definition des Sounds der Band schwer, so dürfte dies beim vorliegenden, fünften Studioalbum deutlich einfacher fallen. Kurz gefasst: Die Band hat den Schritt zurück gewagt und wieder deutlich mehr Black-Metal-Anteile in ihren Sound integriert. Dadurch halten Heaviness und Härte wieder Einzug in den Sound von „Flyblown Prince“, wobei die auf Atmosphäre ausgerichtete Produktion hier nicht zu viel Dampf unterm Kessel zulässt. Aber typisch für CODE gibt es hier keine allzu traditionelle Schwärze zu bewundern, sondern eine, die des Öfteren ihren ganz eigentümlichen Stempel aufgedrückt bekommt.
Dieser Stempel äußert sich vor allem in dem dicht gewobenen Riffdickicht, das sich um die Melodien herum rankt. Irgendwie haben es Aort und Andras geschafft, dieses so subtil zu gestalten, dass man die Vielschichtigkeit der Riffarbeit erst nach und nach für sich entdeckt. Dazu ist „Flyblown Prince“ bevorzugt (aber nicht ausschließlich) im gemächlicheren Midtempo unterwegs, Blastbeats gibt es praktisch keine, nur selten zieht das Tempo mal merklich an wie in „Scolds Bridle“. Und noch ein Element, zugegeben eines von strittiger Qualität: der markante Klargesang. Der passt absolut ins Klangbild, allerdings muss man ihn ob seines Hangs zur Melodramatik nicht mögen, speziell wenn er in „From The Next Room“ einleitet.
Der „Flyblown Prince“ und sein Riffdickicht
Aber umso mehr dürfte es die Extrem-Metal-Fraktion freuen, dass das geschriene und gebrüllte Wort wieder einen deutlich höheren Stellenwert genießt im Klangbild der Band. Konstatierte der geschätzte Vorredner zu „Mut“ der Band, ein quintessentiell „in sich [gekehrtes]“ Album erschaffen zu haben, so macht „Flyblown Prince“ mit dem eröffnenden Titeltrack genau das Gegenteil: Es platzt mit der Tür und damit all seinen stilistischen Eigenschaften direkt ins Haus hinein, deklariert vor dem Hörer mit angeschwollener Brust: „Hier bin ich!“ Und mit einem Knall statt einem Säuseln haben sich die Herren direkt die Aufmerksamkeit des Hörers gesichert.
Ja, der Titeltrack drückt amtlich. Und hier schlängeln sich auch überraschend agile Riffs hinein und hinaus, ohne dass man es notwendigerweise auf den ersten Hör wahrnehmen würde wenn man nicht explizit darauf achtet, da die Produktion die Konturen der Gitarren verschwimmen lässt. Sie verschmelzen dadurch zu einem ziemlich eigenartigen, schwarzmetallischen Klangteppich. Das funktioniert hervorragend, denn vor allem die Dissonanzen erzeugen durch diese flächige Verschmelzung eine ziemlich skurrile, düstere Atmosphäre. Gelegentlich weicht dieser Modus aber doch etwas traditionellerer Klangkunst wie in „Rat King“. Das bringt einerseits Abwechslung ins Haus, zeigt andererseits aber auch, dass die Band vergleichsweise zugängliche Songs ebenfalls ziemlich gut draufhat.
Ein Schritt zurück tut manchmal gut
Aus diesen beiden Modi speist sich „Flyblown Prince“ und wird so zu einer runden Angelegenheit, in der sich Black-Metal-Hörer mit Hang zu technischerer Gitarrenarbeit heimisch fühlen werden. Es ist tatsächlich gar nicht mal so verkopft, da CODE die Komplexität der Riffs geschickt durch die Produktion maskieren. Im Grunde ist der einzige Schwachpunkt der Platte das größtenteils klar gesungene „From The Next Room“, bei dem die Spannungskurve merklich abflacht. Der Rest der Platte ist aber hervorragender, angeschwärzter Metal mit Prog-Schlagseite, den man einerseits wunderbar genießen kann, an dem man aber andererseits auch länger noch seine Entdeckerfreude hat.
Wirklich tolles Teil, das man sich erarbeiten muss, im Endeffekt aber mehrfach dafür belohnt wird, weil hinter der spröden, im ersten Moment unzugänglich erscheinenden Fassade, sehr viel Feingefühl an den Tag gelegt wird und es ebenso viel zu entdecken gibt. Auch der Klargesang ist für mich sehr passend und untermalt ein Album, das keine Schubladen kennt, zwischen den Stühlen sitzt und doch genau weiß, was es vermitteln möchte. Für mich klingt genau so moderner BM, der dieses Genre nach vorne bringt. Ein Gesamtkunstwerk das nicht hoch genug wertgeschätzen werden kann und dem man etwas Zeit geben sollte, sich zu entfalten.
Absolutes Hammeralbum für das man echt in Stimmung sein muss. Dann kickt das aber richtig.
Ab „Clemency and Atrophy“ ist das ganze Album so geil.