Lehrstellen müssen besetzt werden – Leerstellen allerdings auch. Was tun, wenn die großen Vorbilder sich lieber auf andere Hobbies beschränken, an die letzte Auszeit noch eine Pause oder ein kreaTief dranhängen? Richtig, dann kommen die Nachahmer, die keiner braucht, und die wenigen hoffnungsvollen Talente, die man stattdessen hören sollte.

Die französischen CLOVERSEEDS sind so eine Band. Querverweise führen uns zu vertrauten Größen wie PORCUPINE TREE oder TOOL, lenken das Stereotypendenken aber möglicherweise auf die falsche Fährte. Die Stoßrichtung ist Rock – progressiv, alternativ und hoch emotional. Was sie auf ihrem zweiten Album zelebrieren, lässt Freunde rockigen Kopfkinos sicher in Verzückung geraten. Das anregende Cover lässt schon hoffen, und die Hoffnung wird erfüllt. „Over Camilla“ spielt mit einladenden Riffs und einer Basslinie, die den Einstieg in die Platte mehr als leicht machen. Bekanntes Terrain, sehr schön, dazu der gitarrendominierte Sound, warm und heavy und überhaupt insgesamt sehr gut ausgesteuerte Instrumente. Das ist sicherlich ein Verdienst von Bob Katz‘ Mastering, aber auch der generell vielseitigen Herangehensweise der Musiker, die hier ein breites Spektrum bedienen. Akustik und Strom auf Augenhöhe, genau diese Kombination sorgt auf „The Opening“ für gefühlsgeladene Momente voller Melancholie und traurig-schöner Dramatik. Opulente Klänge ohne unnützen Bombast, ausgefeilte Songstrukturen mit klaren melodischen Linien.

Highlights? En masse! Der Aufmacher, mit die Franzosen klar Stellung beziehen, „Flowers“ und „Higher“ mit ihrer wunderbaren Balance aus schweren Gitarren und Zerbrechlichkeit, das leicht theatralische „The Opening“ und gleich danach noch „For Those…“ und „Enough“, die beide mit wirklich großartigen Instrumentalpassagen gesegnet sind.
Die im PR-Sprech oft zitierte Achterbahnfahrt, hier findet sie tatsächlich statt. Ein spannungsgeladenes, abwechslungsreiches Album bei dem man mal wieder feststellen muss, dass eine Dreiviertelstunde verdammt kurz sein kann – und dass es ein Album trotzdem schafft, in dieser kurzen Zeit soviel zu erzählen!