CHRIS CAFFERY gehört zu den größeren Gitarristen unserer Zeit. Er spielt sicherlich nicht in einer Liga mit Slash oder Jeff Loomis, war aber schon mit zarten dreizehn Jahren seinem Gitarrenlehrer überlegen. Außerdem durfte er während seiner Zeit bei SAVATAGE von der Legende Criss Oliva (R.I.P.) lernen. Selbst Historiker dürften Probleme bekommen, die Vita des 48-jährigen richtig wiederzugeben. In den 80er-Jahren als Tourgitarrist von SAVATAGE gebucht, kurz darauf wieder gekündigt worden, spielte er später für verschiedene Solokünstler, gründete wieder etwas mit SAVATAGE-Boss Jon Oliva, spielte wieder mit SAVATAGE, wurde dann festes Mitglied bei SAVATAGE, die dann wieder pausierten und dieses Jahr erstmalig wieder auf einem sehr bekannten Festival im hohen Norden zu sehen sein werden. Irgendwann zwischen dem ganzen Hin und Her hat er sich außerdem dem TRANS-SIBERIAN-ORCHESTRA angeschlossen. Sehr verwirrend! Mit „Your Heaven Is Real“ veröffentlicht der 48-Jährige sein fünftes Soloalbum und es geht – ganz simpel – um Hard Rock.
Der Titeltrack legt nach kurzem Akustikintro direkt los. Dabei überzeugt der Amerikaner mit einer starken Stimme, die sich durch Vielfältigkeit gut in Szene setzt. Egal ob höhere Gefilde oder rauchig angekratzte Parts, Chris meistert die Herausforderungen mit Bravour. Ansonsten hat der Saitenhexer durchaus gute Ideen, was das Main-Riffing und vor allem das atmosphärische Verse-Riffing angeht. Alles andere tröpfelt bedeutungslos vor sich hin. „Arm And A Leg“ ist der wahrscheinlich schlechteste Song in 2015. Die viel zu langen Intro-Riffs, der vielleicht witzig gemeinte, aber in der Umsetzung einfach nur lächerlich wirkende Gesangseffekt lässt meine Trommelfelle rebellieren, und je länger der Song dauert, desto mehr wünsche ich mir, dass der endlich zum Ende kommt mit seinem dämlichen „evil must stop evil, can you stop the evil“. Doch auch der weitere Verlauf der Platte wird nicht besser. Was folgt, ist eine schlechte Mischung aus MÖTLEY CRUE und BON JOVI. Wo ist denn die Lehrzeit der SAVATAGE-Jahre geblieben? Auf dieser Platte scheint man sie vergeblich zu suchen. „Damned If You Do, Dead If You Don’t“ löst dann „Arm And A Leg“ als schlechtesten Song ab. Was soll das? Kein Mensch will von einem Gitarristen, der mal ein wenig Heavy-Metal-Geschichte geschrieben hat, Nintendo-Keyboards hören. Natürlich könnte man sagen, das ist halt ein bisschen progressiv angehaucht. Klares Nein! Denn es ist einfach nur Müll. Ich guck mal kurz nach, ob man diesen Chris Caffery genauso schreibt wie den von SAVATAGE. Ja, stimmt. Die Ballade „I Never Knew“ ist der erste Song auf „Your Heaven Is Real“, der überzeugt. Die Akustikgitarren vermischen sich elegant mit den verzerrten Parts, und die Streicher-Teppiche bringen die für eine Ballade notwendige Dramatik. Auch das Wechselspiel aus Background- und Main-Vocals ist gut gelungen. Vielleicht hätte er eine „Chris‘ Kuschelrock-Platte“ aufnehmen sollen, denn bis zur zweiten, knapp achtminütigen Ballade und der letzten Nummer, kommt wieder jede Menge uninspirierter Hard Rock, der wie Braten ohne Soße schmeckt. In „Over And Over“ und „Come Home“ beweist CHRIS CAFFERY jedenfalls nochmal, dass er durchaus Geschick für Melodien und spannende Arrangements hat.
Schade, meine Erwartungen an „Your Heaven Is Real“ waren sehr hoch. Vielleicht braucht CHRIS CAFFERY eine zweite Hand beim Songwriting. Vielleicht wäre es gut, die Gerüchte bezüglich einer weiteren Zusammenarbeit mit SAVATAGE nach dem Wacken Open Air würden sich bewahrheiten.
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