Charade - II

Review

Ab und zu gibt es Zeiten in denen der Mensch sich fragen muss wer er eigentlich ist, wo er hingeht, und wo er seine Wurzeln hat. Bei einem Pastor trifft in letzterem Fall wohl die Dorfkirche nebenan zu, bei einem leidenschaftlichen Metalfan der klassische Hardrock. Früher war alles besser: Eingängige Melodiebögen, rauher Gesang, relativ kurze Songs die nicht über 6 Minuten verfrickelt werden und Texte die so beliebig geschrieben wurden dass man als Fan eh nicht mehr darauf achtet. Die Kollegen von Angel Schleifer (ex-Bonfire) und Michael Bormann (Jaded Heart) wollen nun mit ihrem melodischen Hardrockprojekt ‚Charade‘ diese alten Zeiten neu auflegen und so tun als würde es metallische Hightechtruppen wie Dream Theater, Blind Guardian oder andere ‚wir-legen-120-Spuren-übereinander-Bands‘ gar nicht geben. Und nach dem Hören dieser Scheibe kann man nur den Hut ziehen und ihnen aus vollster Seele zustimmen: Recht haben sie!
Denn wer aus diesem totgeglaubten Genre, dem ständig die routinemäßige Selbstwiederholung vorgeworfen wird, so einen erstklassigen Superohrwurm wie ‚In the End‘ rausschrubben kann, darf sich getrost zu einem der ehrbarsten Vertreter der Zunft zählen. An diesem Hammerteil muss sich die Konkurrenz erstmal messen lassen können. Auch im oft kritisierten Punkt Dynamik wird nicht gekleckert; denn hier mündet alles in einem kompletten Gefühlschaos, wenn die dramatisch nach vorne gepeitschten Strophen sich konstant steigern und schließlich in dem fröhlich-melodischen Kehrreim explodieren.
Die restlichen Songs kommen erwartungsgemäß nicht ganz an den Opener ran, sind aber dennoch erstklassige Ohrwürmer und decken alle Gefühlsbandbreiten ab. Von schmachtenden Keyboardteppichen in ‚Like the Way it is‘ über aufgerockte Balladen wie ‚When it was just me and you‘ bis hin zu livetauglichen Mitgröhlrefrains a la ‚Everyday and Everytime‘ ist alles was der Denim and Leather Freak braucht hier vereint, und mit gutem Gewissen zu hören. Doch damit noch nicht genug – die Scheibe erscheint im Vertrieb mit BMG und Drakkar in einem absolut fanfreundlichen Doppelpack zusammen mit Album 1, welches diesem Werk in keinster Weise nachsteht, selbst wenn ein Superkracher wie In The End fehlt.
Egal, mit Charade 2 und 1 hat der Hardrock Fan zumindest alles was er braucht und endlich wieder ordentliche Musik zum Autofahren. Besser kann man sein Geld momentan nicht anlegen und mit einem besseren Gewissen kann man als Musikredakteur auch keine 8 Zähler geben.

20.03.2005

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