„Was wir für uns tun, stirbt mit uns. Was wir für andere tun, ist und bleibt unsterblich.“
Das Anthropozän ist das gegenwärtige Zeitalter, in dem das Ökosystem der Erde nachweislich dem Einfluss des Menschen ausgesetzt ist – zu den verheerendsten Folgen zählt der Klimawandel. Nicht in den natürlichen Zyklus rückführbare Produkte der Massenindustrie sind nur die Spitze des Eisbergs: Markenkult und Statussymbole zeugen von unkontrolliert voranschreitender Verwesung des kritischen Denkens hinsichtlich eines verantwortungsbewussten Umgangs mit dem Planeten und der von uns Menschen herbeigeführten Verwüstung – und genau diese vertonen CATTLE DECAPITATION.
Das Artwork von „The Anthropocene Extinction“ gestaltet sich als Kombination von klassischer Death-Metal-Ästhetik und der Kritik am rasanten Zerfall unseres Planeten. Das Quartett aus San Diego erzeugt abermals eine Dichotomie aus Musik und extrinsischer Thematik. Die im Coverartwork visualisierte Botschaft einer selbstverschuldeten Katastrophe wird dabei sowohl in den Texten als auch der Musik immer wieder aufgegriffen. Es sind schwerwiegende Botschaften, die CATTLE DECAPITATION in unser Bewusstsein knüppeln – und die Ästhetik des Death Metals scheint hierfür wie geschaffen. Die gelegentlich eingestreuten Melodien hingegen wirken wie lichte Momente, welche die schwarzen Wogen immer wieder glätten und die einbrechende Zerstörung aufhalten.
Die Tragödie beginnt bei „Manufactured Extinct“, welches das Album bereits zu Beginn inhaltlich und musikalisch zusammenfasst. Travis Ryan und seine Mitstreiter präsentieren uns das Klagelied einer Kultur, welche ihr Biotop zerstört und damit nicht zuletzt die eigene Geschichte verbrennt. Daraus entsteigt anschließend „The Prophets of Loss“ und zerstört in wütender Raserei alles, was sich ihm in den Weg stellt – ein pechschwarzer Schatten, der die Peiniger der Natur heimsucht.
„Pacific Grim“ wirkt als zynische Hymne passiver, menschlicher Zerstörungskraft. Hierbei stellen CATTLE DECAPITATION mit der Beschreibung des Great Pacific Garbage Patch den direkten Zusammenhang zum Cover her. Der gigantische Plastikmüll-Fleck inmitten des Nordpazifiks zirkuliert unentwegt. Ganz anders der Song selbst: Geradlinig und unbarmherzig reißt er seine von anfänglicher Wut infizierten Hörer mit, die schließlich von elegischen Harmonien zu Grabe getragen werden.
Weiter im Zynischen: Das eingangs erwähnte Zitat von Albert Pine romantisiert die unsterblichen Überbleibsel der menschlichen Rasse. Industrieanlagen, Maschinen, Plastik – vermeintlich zum Nutzen aller erschaffene Dinge überdauern letztlich den Menschen. Die Worte werden von BETHLEHEMs Jürgen Bartsch in einem Augenblick der Ruhe ins Mikrofon gehaucht und leiten den epischen Endteil des Songs ein, der leise entschwindet, aber lange nachhallt.
Dennoch zeigen sich CATTLE DECAPITATION vordergründig so subtil wie ein Öltanker auf einem Weiher und veranschaulichen auf authentische und greifbare Art und Weise ein misanthropisches Weltbild voller Wut. Dabei hebt sich die Band durch mehr Raffinesse in der Ausgestaltung ihrer Songs von ihren Genrekollegen ab. Die Melodien sitzen an den richtigen Stellen, die Breaks sitzen und die Soli schmälern die Atmosphäre zu keinem Zeitpunkt. Auch die Vocals sind erneut abwechslungsreich ausgefallen, allerdings entfremdet die Abmischung die clean gesungenen Passagen stark.
CATTLE DECAPITATION liefern am Ende eine detailreiche und bemerkenswerte Vertonung einer nach wie vor relevanten Thematik und schöpfen hierbei textliche wie musikalische Möglichkeiten voll aus. Eine spannende, kompromisslose Platte einer Band, die nicht nur handwerklich eine beeindruckende Leistung an den Tag legt, sondern vor allem etwas zu sagen hat.
Nicht genug Humpa für ne bessere Wertung?
So viel Lob für 8/10? Ich schick euch mal den TÜV vorbei, ihr braucht eine Neujustierung der Bewertungsskala!
Schreckliches Review. @Autor: das ist hier kein Deutsch-Leistungskurs, hier wird nicht nach Fremdwörterdichte und interpretatorischer Tiefe benotet. Vielleicht ist „Klassik heute“ eher was für dich?
Ich glaube da ist dem Schreiberling ein kleiner Fehler unterlaufen, denn ich bin mir sicher, dass die „Clean“ Vocals nicht merkwürdig abgemischt sind, sondern sowieso so klingen.
Ansonsten stimme ich in allem voll und ganz zu, der menschliche Umgang mit den Ökosystemen wird perfekt vertont.
Das SJW-Image der Band geht mir zwar etwas auf den Sack, aber musikalisch ist es natürlich super, bis auf den „cleanen“ Gesang. Darum auch „nur“ 9 Pkt.
Das tippen hat mich hungrig gemacht, darum erstmal ’n Döner holen… mit doppelt Fleisch natürlich!
Gut geschriebener Review, welcher sich endlich mal von diesen sinnlos eingestreut, pseudo-cool klingenden Metalschlagwörtern abhebt und der mehr auf den Inhalt der Platte und die Intention der Künstler eingeht. Darüber hinaus wird der Spannungsbogen des Albums aufgegriffen und nicht nur wie bei einer Zusammenfassung ein Song nach dem nächsten beschrieben wird, mit Strophen, Refrain und was dann noch im C-Teil so passiert. Das interessiert doch – gelinde gesagt – einen Toten. Denn am Ende ist es im Metal doch so, dass man oft genug „Axtgeshredder“, „Hassbatzen“ und sonst was bekommt. Mehr von solchen Reviews bitte!
Zur Platte: Top, ich kann mich dem Rezensenten nur anschließen. Gerade die „cleanen“ (laut Ryan nicht wirklicher Cleangesang) und melodischen Passagen brechen das Album stimmungsvoll auf. Wurde auf früheren Alben (Prä-Monolith Ära) noch bei Sekunde 1 der Blast an- und gefühlt erst am Ende wieder abgeschaltet, entsteht so ein exzellentes und ausgewogenes Death-Metal Album, das ich immer wieder gerne höre und das mich immer noch neue Facetten entdecken lässt.