Carnifex - Graveside Confessions

Review

Um Gottes Willen! Eine Stunde CARNIFEX! Das bedeutet eine Stunde Power, Technik, Kreischen, Grunzen, unerwartete Breaks und vor allem Tempo. Je nach Gemütszustand ist das Auflegen dieser Band während einer längeren Autofahrt nicht zu empfehlen und auch während des Studiums einer komplexen Fachliteratur sollte zu etwas dezenterer musikalischer Untermalung gegriffen werden. Wenn man aber mal wieder so richtig mies drauf ist oder sich danach sehnt, die Bude zu renovieren, ist auf die Kalifornier Verlass.

Handkantenschläge und Rhythmusgewitter

So auch auf dem achten Studioalbum der tiefschwarz angehauchten Death-Core-Institution. CARNIFEX klingen auch dieses Mal wieder wie CARNIFEX, was an sich lobenswert und eigenständig ist. In der Tat möchte man der Band wohlwollend bescheinigen, dass sie sogar etwas oder besser gesagt noch härter klingen als sonst. Natürlich keift und growlt sich Scott Lewis einen Wolf und die sehr Höhen lastigen Gitarren bringen das Schwarz in den Blackened-Death-Core. Dabei ist das Ergebnis nicht ausschließlich brutaler Stumpfsinn, denn immer wieder sorgen klingende Akkorde und dezente Elektronik für Atmosphäre, von den dynamischen Taktwechseln ganz zu schweigen.

CARNIFEX oder die Scharfrichter auf hohem Niveau

Eine Menge Ideenreichtum steckt in “Graveside Confessions”. Nörgler werden sich über den teilweise unverschämt ausufernden Stilmix ebenso beschweren, wie Freunde melodiöser Power-Balladen über fehlende Strukturen und Wiedererkennungswert klagen dürfen. So ist es auch weiterhin ein zweischneidiges Schwert, mit dem im Bereich Extreme Metal Köpfe abgeschlagen werden. Nach einer halben Stunde entwickelt sich all das hervorragend bespielte Instrumentarium, die technischen Finessen und die oft wahnsinnige Geschwindigkeit zu einem Klumpen infernalischen Lärm. Bald verschmelzen verschiedene Songs zu einem homogenen Einheitsbrei, der sich als Beiwerk zur seichten Unterhaltung niemals ertragen lässt.

“Graveside Confessions” als Wegbegleiter in Traumwelten

Man muss schon selbst im Songwriting firm sein um die musikalische Botschaft zu verstehen. Akzeptieren kann man sie ohnehin nur, wenn man sich mit völliger Hingabe unterwirft und ohne äußere Einflüsse mit allen verfügbaren Ohren eintaucht. Mit ein wenig Durchhaltevermögen wird man von CARNIFEX zu einer meditativen Reise angestachelt. Wen diese Beschreibung als zu pathetische Metapher abschreckt, wird mit “Graveside Confessions” vermutlich keine Freude haben. Als fadenscheiniges Hilfsmittel zu stressfreiem Yoga darf die Beschreibung keineswegs missinterpretiert werden. CARNIFEX übertreiben auf dieser Platte nämlich so ziemlich alles, was man übertreiben kann. Das fängt bei der Albumlänge an und hört bei den reichhaltigen, oft zusammenhanglos wirkenden Arrangements noch lange nicht auf. Nebenbei bemerkt ist die Produktion gewohnt dick und befreit so ziemlich jeden Gehörgang von Flusen und anderem Schmutz.

Als Zuckerl für Fans der ersten Stunde finden sich mit “Collaborating Like Killers”, “My Heart In Atrophy” sowie “Slit Wrist Savior” drei Songs des Debütalbums als Neuauflage. Die Mixtur aus Technical-Brutal-Deathmetal mit Black-Metal-Anleihen und vielen Metal-Core-Requisiten funktioniert auch nach fünfzehn Jahren Bandbestehen noch einwandfrei und wird zumindest bei Teilen der jüngeren Heavy-Fraktion ein paar Glückshormone freisetzen. Viele andere werden “Graveside Confessions” skippen, weil es einfach zu hektisch ist.

26.08.2021

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