Erinnert sich noch jemand an die Zeit, als Gitarrengötter wie Marty Friedman, Yngwie Malmsteen, Vinnie Moore oder Tony MacAlpine vom Olymp herabstiegen, um auf Shrapnel Records Alben voll höchster Spielkunst zu veröffentlichen?
Carlos Lichman aus Brasilien tut es. Und zwar auf seiner Platte „Firestorm“. Bei Shrapnel wurde man wie es aussieht zwar noch nicht auf ihn aufmerksam (die Scheibe ist eine Eigenproduktion), das Zeug dazu hätte er aber wahrscheinlich.
Zu teils sehr vom europäischen Power Metal der Marke HELLOWEEN beeinflussten Tracks fiedelt er sich sehr gefühlvoll und technisch einwandfrei durch alle Skalen. Dass ein Sänger dabei nur stören würde ist natürlich klar. Womit sich „Firestorm“ auch in die Riege der großen Genreveröffentlichungen einreiht, was sich die Spezialisten aber wahrscheinlich sowieso schon gedacht haben.
Tatkräftige Unterstützung erhält er dabei von verschiedenen Gitarristen, von denen ANGRAs Kiko Loureiro wohl der bekannteste sein dürfte. Zusammen mit seinen Kollegen zeigt Lichman, was man aus einer Gitarre so alles herausholen kann. Wie erwähnt verschlägt es ihn dabei oft in die speedige Power-Metal-Ecke, doch er hat auch ein Herz für den Blues (Teile von „Intense Guitar Playing“) und klassische Musik, was das Cover (in diesen Kreisen spricht man wohl eher von einem „neuen Arrangement“) von Thoino Arbeaus „Belle Qui Tiens Ma Vie“ verrät.
In den besseren Momenten klingt „Firestorm“ nach HELLOWEEN und Konsorten, manchmal, wenn es düster und bedrohlich wird gar nach ARCH ENEMY bzw. Michael Amott (der manche seiner Einflüsse vermutlich aus den gleichen Quellen zieht). In den schlechteren führt einem das Album aber vor Augen, weshalb das Genre des instrumentalen Gitarrenrocks- /metals so gut wie ausgestorben ist. Auf Dauer langweilen die diversen Fingerübungen einfach. Es ist eben ziemlich schwer mit einer Gitarre über die volle Distanz „spannende Geschichten zu erzählen“.
Carlos Lichman weiß wie es geht und zeigt es auch recht gerne, was auf einem Soloalbum aber auch irgendwie legitim ist.
Einige Songs sind gar nicht mal so übel und haben die eine oder andere ansprechende Idee parat. Mit der Zeit dürfte dem Normalverbraucher aber die Lust an „Firestorm“ vergehen. Diese Scheibe ist eben nur etwas für Kenner und Genießer der Materie. Auch Musiker mit Hang zu technischen Kabinettstückchen dürften hier ihre Freude haben. Man sollte sich eben nur darüber im Klaren sein, dass es sich hierbei um ein typisches Instrumentalalbum handelt.
Wer sich jetzt noch unsicher ist, dem seien Titel wie „Speed Rules“, „Shred Dogs“, „Key To Shred City“ oder „Intense Guitar Playing“ nahegelegt. Alles klar, oder?
Kommentare
Sag Deine Meinung!