Carcass - Torn Arteries

Review

Freunde des geschmackvollen Death Metals – es ist angerichtet! Nach den Zwischenmahlzeiten „Under The Scalpel Blade“ (2019) und „Despicable“ (2020) folgt nun das neue vollständige 10-Gänge-Menü namens „Torn Arteries“. Wie auf dem Cover ersichtlich sauber zubereitet mit viel Gemüse, in Form eines Herzens, bereit zum beherzten Sezieren. Aber auch mit Fleisch und auch schön blutig?

25 Jahre nach dem Schwanengesang – CARCASS zweites Album nach der Reunion

Es liegt ein Hauch von Nostalgie in der Luft. Der Albumtitel „Torn Arteries“ bezieht sich auf eine Demo, welche Original-Schlagzeuger Ken Owen in den Achtzigern vor der Gründung von CARCASS aufnahm. Stilistisch verweist das neue Album ebenfalls häufig in die Vergangenheit und etwas weiter weg vom geradlinigen 2013er Comebackalbum „Surgical Steel“, zeigt aber auch einige wenige neue Elemente. Schon das Cover von Zbigniew Bielak erinnert an alte groteske Fotografien der klassischen CARCASS und bezieht sich auf das japanische Kusôzu, was so viel bedeutet wie „Malerei der neun Stadien eines verwesenden Leichnams“ – aber etwas in dieser Form haben CARCASS dennoch nie gehabt. Und auch bizarre Songtitel wie „Kelly’s Meat Emporium“ oder „Flesh Ripping Sonic Torment Limited“ führen liebgewonnene Traditionen fort. Das siebte Studioalbum „Torn Arteries“ ist CARCASS durch und durch, ohne aber lediglich die eigene Vergangenheit zu kopieren.

Natürlich glänzt auch „Torn Arteries“ mit dem typisch scharfen, präzise wie mit dem Skalpell geschnittenen CARCASS-Killer-Riffing Marke Bill Steer, brachialen Knochensägen-Rhythmen, eingängigen Hooks und den charakteristischen, fies-heiseren Vocals. Aber, wer auf eine Wiederholung von ultraderbem uralt Knüppel-Grindcore der Marke „Reek Of Putrefecation“ oder „Symphonies Of Sickness“ hofft, wird enttäuscht. Die Tage des kontrollierten Chaos sind sicherlich endgültig vorbei. Dafür dürfen sich diejenigen unter uns freuen, welchen insbesondere „Necroticism – Descanting The Insalubrious“ sowie das Überalbum „Heartwork“ gefallen. Denn „Torn Arteries“ hat schon einiges von diesen Meilensteinen. CARCASS gehen also zurück zu den frühen Neunzigern, mischen in diesem leckeren Death-Auflauf etwas Grind, die proggigen Ambitionen mit eingängigen Midtempo-Grooves, Melodik und dezenten Rock’n’Roll, äh Verzeihung – Rot’n’Roll Anleihen. CARCASS Signature-Sound.

Schon der Titeltrack Opener „Torn Arteries“ ist eine herrlich schnelle Thrash-/Death-Abrissbirne auf hohem Niveau, grimmig, präzise gespielt, charakteristische Schreie, prägnante Riffs, Tempowechsel, unverkennbar CARCASS. Das verspielte „Dance Of Ixtab (Psychopomp & Circumstance March No. 1 in B)“ lebt von einem mörderisch groovendem Hauptriff, bluesigen Licks und eingängigen Rhythmen. Ixtab ist übrigens das Maya-Wort für „Frau des Seils“, welche diejenigen, welche durch den Strang sterben, ins Jenseits führt. Wieder was gelernt. Weitere Höhepunkte auf „Torn Arteries“ sind der an „Despicable“ anknüpfende Kracher „Under The Scalpel Blade“, das fast schon epische, zehnminütige „Flesh Ripping Sonic Torment Limited“ mit stimmungsvollem Akustikintro (!), tollem Refrain und Melodic-Solo sowie die beiden CARCASS typischen eingängigen Kopfabreißer „Kelly’s Meat Emporium“ mit der prägnanten Gitarrenmelodie und „Wake Up And Smell The Carcass / Caveat Emptor“.

Rot’n’Roll – Let’s rot

Das energiegeladene, einnehmende „Torn Arteries“ bündelt technisch anspruchsvoll die Stärken von CARCASS und wirkt wunderbar vertraut. Kommt es an „Necroticism – Descanting The Insalubrious“ und „Heartwork“ ran? Nein, nicht ganz! Aber wirklich stark ist das neue Album allemal. CARCASS haben nichts von ihrer Relevanz eingebüßt!

10.09.2021

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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