Candlemass - Epicus Doomicus Metallicus

Review

Wenn vom Metal der 1980er-Jahre die Rede ist, liegt der Fokus auf dem Geschwindigkeitswettrüsten. Die Extremisierung wird hauptsächlich anhand des hohen Tempos betrachtet. In der ersten Hälfte der Dekade ist am anderen Extrem auch nicht viel passiert. Lediglich mit WITCHFINDER GENERAL hat eine Band schon mehrere Alben rausgebracht. Andere Kapellen wie TROUBLE veröffentlichten brav ihre Demos. Auch in Schweden sah es nicht viel besser aus.

Als „Epicus Doomicus Metallicus“ am 10. Juni 1986 erschien, gab es kaum so etwas wie CANDLEMASS. Die Band bestand aus drei Leuten, Leif Edling, Mats Björkman und Mats Ekström. Zuvor haben sie ein Demo aufgenommen, auf dem Edling sang. Nachdem durch die Vermittlung von Mark Shelton ein Plattendeal mit Black Dragon Records zustande kam, luden sie für die Aufnahme des Albums einige Gastmusiker ein.

Zwischen ikonisch und ziellos

Der Gesang ist unter widrigen Umständen entstanden, Johan Längqvist sang das Material relativ spontan ein, hatte kaum Zeit, an seinen Gesangslinien zu arbeiten. Und dafür sind sie recht ordentlich geworden. Gerade diese Schwermütigkeit, welche durch die langgezogenen, tiefen Tönen ausgelöst wird, trägt einen entscheidenden Teil zur düsteren Atmosphäre bei. Kein Wunder, dass sich Marcolin auf „Nightfall“ daran orientierte. Lediglich die Stellen, bei denen er sich an King Diamond versucht, können auch bei einer wohlwollenden Betrachtung nicht bestehen.

CANDLEMASS haben mit ‚Solitude‘ den besten Doom-Opener seit ‚Black Sabbath‘ veröffentlicht. Er bringt die Quintessenz der Band exakt auf den Punkt. Der Fokus des Liedes liegt auf schweren Riffs, aber der Einsatz von Synthesizern und Akustik-Gitarren macht klar, dass den Schweden eine düstere Atmosphäre wichtiger ist als Reinheitsgebote. Dem Text gelingt es, auf einer sehr allgemeinen Ebene, in der man sich schnell einfühlen kann, Verzweiflung zu transportieren. Längqvist gelingt eine gute Vertonung, wenn man mal von ein paar Ziellosigkeiten absieht.

Angemessene Weiterentwicklung unter Bewahrung der Konventionen

Nach dem Hit zu Beginn bleibt der Spannungsbogen konventionell. Auf der A-Seite folgen mit ‚Demon’s Gate‘ und ‚Crystal Ball‘ zwei Nummer-Sicher-Songs. Dominiert werden sie von schweren, prägnanten Riffs, welche die Grundlage für die Songs bilden. Im Song nehmen die sogar einen wichtigeren Anteil ein, als der Refrain, der unaufgeregt bleibt. Daran knüpft der Mittelteil an, der bei ‚Crystal Ball‘ überraschend Speed-Metal-lastig ausfällt. Anschließend wieder die Reprise. Ein bewährtes Modell, welches vorher und nachher oft eingesetzt wurde und den Fokus vor allem auf die Ideen legt. Gerade bei diesen beiden Songs kommt das den gelungenen Riffs und Soli zugute.

Dafür probiert sich die Band allerdings mehr auf der B-Seite aus. Im Mittelteil von ‚Black Stone Wielder‘ gibt es einen Walzer zu hören, bei dem angenehmerweise der Rhythmus im Vordergrund steht. Mitten in der Reprise gibt es außerdem eine Bridge, die ideal zum Hüpfen einlädt. ‚Under The Oak‘ enthält ein Riff, auf das METALLICA wohl neidisch waren. Dazu gibt es einen grandiosen Mittelteil, in dem effektvoll mit der Dynamik experimentiert wird.

„Epicus Doomicus Metallicus“ bietet offene Definitionen

Zum Grande Finale ‚A Sorcerer’s Pledge‘ gibt es eine ausgefeilte Erweiterung des Klangbilds. Neben den bereits bekannten Akustikgitarren und Synthesizern gibt es nun Flöten und Doublebass-Passagen. Dafür fehlen dem Lied aber frische Ideen auf kompositorischer Ebene, so dass es in der Hinsicht eine Zusammenfassung der beiden vorigen Lieder ist.

Es dürfte wohl kaum jemand daran zweifeln, dass“Epicus Doomicus Metallicus“ zu den stärksten Doom-Metal-Debüts aller Zeiten gehört. CANDLEMASS haben es hier geschafft, auf Basis der Wirkung ihrer tonnenschweren Riffs, durchdachte und unterhaltende Songs zu schreiben. Bei alldem haben sie ausgelotet, welche Möglichkeiten dieses Genre bietet und es dabei gleichzeitig definiert. Das der Genre-Begriff nicht durch starre Regeln festgelegt wurde, kommt heute noch Bands wie SORCERER zu gute, die spannende Alben unter der Bewahrung der Genre-Konventionen abliefern, was auch nicht überall möglich ist. Es ist sicherlich das ikonischste CANDLEMASS-Album, obwohl die Kapelle ihren Stil auf „Nightfall“ zur Perfektion getrieben hat.

10.06.2020
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