Can - Ege Bamyasi

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Wenn die Rede von den Kölner Kult-Rockern CAN ist, dann ist üblicherweise deren bizarres Magnum Opus „Tago Mago“ Gegenstand des Gespräches, gerne auch das vergleichsweise konventionelle Debüt „Monster Movie“. Und beides sind auch wunderbare Werke einer Band, die unter anderem von RADIOHEAD als Inspiration genannt werden; eine Band, die ihren experimentellen Rock-Sound derart auf die Spitze getrieben hat, dass gerade ihr berühmtes Drittwerk „Tago Mago“ [Zweitwerk, wenn man „Soundtracks“ als Compilation zählt, Anm. d. Red.] traditionellen Songschreiberkonventionen rebellisch trotzt und neben seltsamer Klangkosmik der Marke „Aumgn“ auch einfach mal eine zwanzigminütige Impro in Gestalt von „Halleluwah“ rein gepackt hat.

Experimentelle Hitze in den Charts?!

Und wir reden hier von Musik aus den Siebzigern. Sprich: Der Scheiß war heiß und verkaufte sich wie geschnitten Brot, kletterte sogar rauf in den Charts. Dass die Platte heute immer noch regelmäßig aufgelegt wird, zeugt davon, dass der Sound der Herren bis heute nichts an seiner Hitze eingebüßt hat, sondern nach wie vor eine beeindruckende Anziehungskraft aufweist. Um in diesen Sound hinein zu finden, bedarf es aber möglicherweise ein wenig Starthilfe, denn der Sound von CAN ist eben sehr speziell und kann im weiteren Sinne als experimenteller Psychedelic Rock bezeichnet werden, in den ein enorm sporadischer Impro-Charakter Einzug findet.

Man kann sich hierfür entweder an das Debüt heranwagen, noch mit Malcolm Mooney am Mikro, oder alternativ an das ein Jahr nach „Tago Mago“ erschienene „Ege Bamyasi“. Beide Alben sind im Vergleich zu „Tago Mago“ ziemlich zugänglich, selbst für ungeübte Gaumen respektive Trommelfelle. Wer allerdings schon einen Einblick in die experimentellere Seite der Band erhaschen möchte, ohne sich dabei gleich die Finger zu verbrennen, ist mit letztgenanntem, hier zu besprechendem „Ege Bamyasi“ besser bedient. Das Album ist dabei unter etwas widrigen Umständen entstanden.

Trotz frustrierender Arbeiten strahlen CAN eine enorme Leichtigkeit aus

Die Band erfuhr kommerziellen Aufwind durch die vorab veröffentlichte Single „Spoon“, die als Titelmelodie für die Sendung „Das Messer“ Verwendung fand. Dadurch verdienten sie sich genug Geld, um ein ehemaliges Kino in der Nähe von Köln mieten zu können. Die Band funktionierte dieses als vorübergehende Bleibe respektive als Arbeitsplatz um, doch beschrieb Gitarrist Michael Karoli die Aufnahmen als durch Umstände wie das obsessive Schachspielen von Irmin Schmid und Damo Suzuki von Frust gezeichnet, um die Liner Notes zu paraphrasieren. So wurde besagter Song am Ende in die Trackliste mit aufgenommen, um die Platte doch noch voll zu bekommen.

Man hört der Platte diesen Frust jedoch zu keinem Zeitpunkt an. Im Gegensatz zum kompromisslos experimentellen Vorgänger offenbart sich „Ege Bamyasi“ als vergleichsweise bodenständig und leichtfüßig, auch wenn CAN ihren Spleen wenn auch etwas subtiler in ihre Songs einarbeiten. Der Sound ist wieder sehr psychedelisch, tackert aber dank dem menschlichen Metronom Jaki Liebezeit genau und akkurat wie ein Uhrwerk dahin. Dass die Sache zu keiner Zeit zu statisch gerät, ist seiner trotz immenser Genauigkeit lebhaften Spielweise geschuldet, die dem Sound mit freundlicher Unterstützung von Holger Czukays pointiertem Bass eine ordentlich Funk-Note verpasst.

„Ege Bamyasi“ schmeckt auf Anhieb

Was die Melodiefraktion angeht, so lässt diese ihre Muskeln eher subtil sprechen. Die Melodien brodeln oft recht gedämpft unter der Rhythmik vor sich hin und erzeugen dadurch eine immense Spannung, die sich in den etwas explosiveren Melodien dann schon mal entlädt. Mit ordentlich Höhen versehen rattert die Gitarre sehr rhythmisch durch die Songs und trägt so zur groovenden Natur des Albums bei, bei der nahezu jeder Song unmittelbar ins Gebein fährt. Gezielte Synth-Effekte werden von Irmin Schmid injiziert und verleihen dem Sound indes eine eigentümliche, seltsame Atmosphäre.

Ein Element des Sounds hat sich jedoch die Wildheit des Vorgängers fast unverdünnt bewahrt: Wie der direkte Vorgänger steht hier auch der in Köln beheimatete, japanische Sänger Damo Suzuki am Mikrofon, der seinen Vorgänger Mooney tatsächlich mit „Tago Mago“ beerbt hat. Und er brabbelt teilweise einfach nur irgendein komisches Zeug ins Mikrofon oder kratzt sich andere, seltsame Laute aus der Kehle. „Hey You! You’re Losing Your Vitamin C!“ Auf „Tago Mago“, spezieller „Halleluwah“, hat er auch mal einfach die Trackliste vorgelesen. Kann man mal machen. Seine Vokalimprovisationen sind impulsiv und gehören zum klassischen CAN-Sound hinzu. Mehr noch: Sie gehen in seinen rotzigeren Momenten richtig schön ins Blut.

CAN servieren den Dosenöffner zum Magnum Opus

Um seine Vokaleruptionen herum generiert die Band also einen zugänglichen, tanzbaren Sound. Das wird mal etwas intensiver und feuriger wie im eröffnenden „Pinch“ oder etwas getragener und stimmungsvoller wie in „Sing Swan Song“ – ein Track übrigens, der unter anderem auch mal von Kanye West gesamplet worden ist. Trivia für die, die es interessiert. So richtig groovebetont wird es in „Vitamin C“ mit besonders emphasierter Rhythmik, während „I’m So Green“ das funkigste Stück der Platte ist. Sprich: Hier dürfte für jeden was dabei sein – und es fordert längst nicht den Tellerrandblick, den das visionäre „Tago Mago“ noch voraussetzte.

Das kann man „Ege Bamyasi“ zwar durchaus zum Vorwurf machen, aber andererseits fließt das Album derart geschmeidig dahin, dass man diesen Aspekt relativ schnell vergisst und einfach nur seinen Spaß mit der Platte haben kann. Insofern kann man sich auch einfach mal zwischendurch die groovende Portion Okraschoten reinpfeifen. Diese Dinger machen satt, sie machen Spaß und damit einiges richtig. Und nebenher haben CAN ein Album geschaffen, das sich als Einstiegsdroge in ihr Werk wunderbar eignet, bevor man sich an den großen Brocken heranwagt. Steht aber auch ziemlich solide auf eigenen Beinen, das Teil.

11.03.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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