Callejon - Wir Sind Angst

Review

CALLEJON sind zurück – diesmal wieder mit C – und legen mit „Wir Sind Angst“ eines der ersten Highlights des frischen Jahres vor. Nach „Man Spricht Deutsch“ hätte es für die Band auch in eine ganz andere, eine kommerzielle Richtung gehen können, denn das Cover-Album sprach immerhin eine große Bandbreite an Hörern an. Die Amigos nahmen noch nie ein Blatt vor den Mund, zeigen sich aber auf „Wir Sind Angst“ noch bissiger. Über dem Album schwebt eine dunkle Wolke, aus der es ohne Unterlass blitzt, donnert, hagelt und regnet. Dank unverblümter Wortwahl, entfernen sich CALLEJON noch etwas weiter vom Mainstream. Im Gegenteil – CALLEJON sind auf „Wir Sind Angst“ kein bisschen leiser und poltern wie eh und je ungebremst, laut schreiend und mit Anlauf durch die geschlossene Tür!

Der Gesang von BastiBasti ist gewohnt schrill und angriffslustig, ein tolles Alleinstellungsmerkmal für die Band, denn häufig überholt er mit seiner Performance beinahe die sowieso schon an Lichtgeschwindigkeit grenzenden musikalischen Arrangements. Das verleiht CALLEJON einen unvergleichbaren, mitreißenden Fluss und „Wir Sind Angst“ profitiert gerade davon enorm. Hänger? Fehlanzeige! Die passend eingesetzten, melodischen Refrains sind diesmal weniger zuckrig, als noch auf „Blitzkreuz“, hochwertiger und mit deutlich weniger Nervpotential. Inhaltlich ist manches sicher grob überspitzt, aber vieles auch derart treffend formuliert, dass einem kurz der Atem stockt über so klare Worte von einer verhältnismäßig jungen Band („Krankheit Mensch“). Auf „Wir Sind Angst“ dreht sich alles um Manipulation, Verzweiflung, selbstgemachte Probleme und CALLEJON halten vehement den grellen Scheinwerfer Richtung Notausgang – hier entlang Leute!

„Ich Lehne Leidenschaftlich Ab“ wird, trotz Bumm-Bumm-Mittelteil und unausweichlichen Oho-Chören, ganz sicher nie im Radio laufen. Mit Zeilen wie ‚Fick dich tausendfach‘, ‚Satan ist mein bester Freund‘ oder ‚Halt deine Fresse, du kleine Spießer-Bitch‘ unterstreichen CALLEJON ihre ablehnende Haltung, kacken den Radiostationen praktisch vor die Eingangstür und zeigen, wo sie stattfinden wollen. Einzig das dramatische „Erst wenn Disneyland brennt“ erweist sich als Rausschmeißer der doppelten Art, denn balladeske Klagen oder auch unverschleierte Liebeslieder können CALLEJON deutlich besser vortragen.

„Wir Sind Angst“ ist ein Paradebeispiel für die Hoffnung der deutschen Musikszene – CALLEJON sind gewachsen und werden nicht müde den Ausweg aus der Gasse zu besingen. Vor lauter textlicher Substanz vergisst man häufig, auf die herausragenden musikalischen Fähigkeiten einzugehen. Hier stimmt wirklich jede Pointe, jedes Riff sitzt, die Übergänge von harsch zu hymnisch sind tadellos („Schreien Ist Gold“, „Veni Vidi Vici“), jede Aufforderung zum Mitsingen wird fruchten – eine glatte Eins mit Sternchen und freundlichem Mittelfinger daneben gemalt. Die glorreichen Fünf von CALLEJON beweisen also eindrucksvoll: „Wir Sind Angst“, ja aber wir sind nicht dumm und je mehr junge Bands sich diese Art von Aufklärung auf die Fahnen schreiben, umso besser! Und findest du sie scheiße, so finden sie das geil… is‘ so.

07.01.2015
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