Caïnan Dawn - Thavmial

Review

Ende April und ein unumstößliches Black-Metal-Jahresalbum steht bereit. Aus der dunklen Tiefe eines norwegischen Waldes? Aus einem mit DISSECTION-Flaggen behangenen Proberaum in Schweden? Keineswegs. CAÏNAN DAWN verblüffen aus Frankreich, genauer aus Chambéry in der Region Rhône-Alpes. Wer spontan die Kombination „Frankreich – Metal – ALCEST“ im Sinn hat und im Begriff ist, ebenso spontan wegzudenken, sollte innehalten. Mit dem zahmen Klang der Avantgardisten haben CAÏNAN DAWN nichts zu tun. Wenn ein regionaler Vergleich herhalten soll, mal mehr, mal weniger treffend, dann mit Bands wie DEATHSPELL OMEGA, ANTAEUS, alten GLORIOR BELLI und ETERNAL MAJESTY. Im Umkehrschluss heißt das nicht, dass „Thavmial“ nur blind die Keule schwingt, das sieht man schon an der Länge der Songs, die Progressivität verharrt aber in Ansätzen und konzentriert sich auf experimentierfreudige Drums. Ansonsten ist das zweite Album ein Glücksfall unverfälschten Black Metals.

Rein in die Musik: Über drei Minuten lang zerrt uns ein mystisches Intro in eine düstere Atmosphäre, die mit „The Brood“ noch dunkler wird. Lupenreines Bienenschwarm-Riffing kämpft sich durch einen Blastbeat-Platzregen. Dissonanz geht in Harmonie über und umgekehrt. Nur kurz werden die Melodieläufe durch tief gestimmte Riff-Einschübe aufgebrochen. Der Abschluss des ersten richtigen Songs wirkt beklemmend, die Gitarrenarbeit wird subtil und schwer, bevor ein Outro aus dem Lied heraus- und in das folgende Stück hineinführt. Der Black Metal regiert und die Gitarren geleiten durch eine eisige Gebirgskette. Später wird das Tempo entschlackt, ein Midtempo-Riff lässt verschnaufen. Dann erhöhen Doublebass und rasanter Wechselschlag die Geschwindigkeit wieder. „World Among Worlds“ setzt auf hypnotische Monotonie, die fehlenden Vocals unterstützen den Eindruck. Wenn die Nummer an Dynamik gewinnt, ohne wirklich schnell zu werden, wirkt sie wie ein Ritual und zieht durch die spirituelle Aura in einen Bann, der erst nach über sechs Minuten die Fesseln lockert. Die Stimmung ändert sich, das Riffing schielt in Richtung Death Metal. So nimmt der Song leicht Fahrt auf, um ab der achten Minute durch ein unheilvolles Outro langsam zu Ende zu brutzeln.

Und genauso geht es weiter, denn das ist der Weg, den CAÏNAN DAWN konsequent gehen: das Wahren von Ursprünglichkeit, kombiniert mit reichlich Härte, flankiert von okkultistisch anmutenden Intros (angenehm kurz) und Outros, ergänzt durch wenige Death-Metal- und einige Doom-Momente, die das Konstrukt traditionellen Black Metals auffrischen. Während das Material oft schnell unterwegs ist, hat es die Stimme kaum eilig – die Lyrics werden eher gesprochen vorgetragen, die Vocals erinnern an frühe DARKTHRONE. Der Klang von „Thavmial“ ist für eine Black-Metal-Platte überraschend druckvoll (im Sinne von: nicht blass) und klar, ohne ansatzweise modern oder glatt zu sein, und befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Perfektion – ein Extrapunkt. Seit 2003 sind CAÏNAN DAWN nun aktiv, „In Darkness I Reign“ (Demo) gab den offiziellen Startschuss; allerdings erst 2007. Weitere vier Jahre später schmiss man das Debüt „Nibiru“ auf den Markt. Geht es qualitativ so weiter, folgt mit dem dritten Album ein Meisterwerk.

01.05.2014
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