Brutus (BE) - Nest

Review

Schlagwerkerinnen sind leider noch immer eine große Seltenheit hinter den Kesseln, die die Rhythmuswelt bedeuten. Schlagzeugende Sänger stellen eine nicht weniger große Rarität dar. Umso überraschender ist es, beides vereint in Form von Stefanie Mannaerts vorzufinden. Die Stimme und Taktgeberin von BRUTUS hat zusammen mit ihren Mitstreitern Stijn Vanhoegaerden und Peter Mulders dem 2017er Debüt „Burst“ einen Nachfolger verpasst: „Nest“ wurde im Kanadischen Vancouver gebrütet und darf dieser Tage schlüpfen. Doch ob die Post-Rock-Hardcore-Punk-Shoegaze-Ambient-Brut auch flügge wird?

BRUTUS lassen mehr Einflüsse zu

Der bereits Ende Januar veröffentlichte Song „War“ versprach eine Weiterentwicklung in Richtung spannender und abwechslungsreicher Genre-Bastard. Leise und elegisch eingeleitet vom heiser-rauchigen und immer lauter leidenden Gesang, treiben die Drei das Songgebilde zwischenzeitlich bis hin zur Black-meets-Thrash-Ekstase, nur um wenige Sekunden später wieder die Fahne des Shoegaze hochzuhalten.

Leider halten BRUTUS dieses Versprechen nicht konsequent ein. Insbesondere der Einstieg in „Nest“ gestaltet sich recht eintönig. Den gekonnten Wechsel zwischen Gesang, Punk-Rockigem Trotzgeschrei und sehr kurzen Einblicken in Stefanies Shout-Qualitäten, vernimmt man in viel zu wenigen Momenten. Der spezielle und konsequent durchgezogene Gesangsstil kann spätestens ab dem vierten Song nämlich durchaus an der Nerven zerren – sofern man diesem nicht vollends verfallen ist.

Auch dominiert über lange Strecken perkussive Eintönigkeit. Das dürfte aber der Komplikation geschuldet sein, dass parallel eben nicht nur die Schlagfelle, sondern auch die Stimmbänder zum Schwingen gebracht werden wollen. Vor allem die Songs der ersten Albumhälfte wirken beliebig und nicht differenziert genug, plätschern ineinander, während das Schlagzeug durch schlichte Melodien und dick verhallte Gitarrenteppiche trabt.

Aber höre da: Die Halbzeit bringt den Seitenwechsel und die ersehnte Abwechslung. „Carry“ wiegt sich durch die Kontraste, „Blind“ galoppiert von vertrackten Melodien in sich immer weiter anfachendes Gitarrenspiel und in „Distance“ beweist der erst so störende Gitarrenteppich, dass er ergebener Diener der Melancholie sein kann.

Während „Space“ den letzten rhythmischen Welten-Raum ruhig aber bestimmt durchschreitet, reist „Horde V“ von rasend zu elegisch. Mit „Sugar Dragon“ schließt ein unauffälliger, klassischer Post Rock Song das Album ab.

„Nest“ – lau wird zu wohltemperiert

BRUTUS sind stark, wenn leise und laut gegeneinander ausgespielt werden und sich durch ihren Kontrast intensivieren. Das hat sich auch schon im Debüt „Burst“ gezeigt. Wem schon der Vorgänger zugesagt hat, wird von „Nest“ nicht von der Bettkante gestoßen. Dennoch ist das Zweitwerk eine dezente und ansprechende Weiterentwicklung, denn die Belgier öffnen noch mehr Einflüssen Tür und Tor, lassen den sonst allgegenwärtigen Post Rock mal ein, zwei Schritte zurücktreten.

Auch wenn die Band sich mit Fans wie METALLICAs Lars Ulrich und Simon Neil von BIFFY CLYRO brüstet, entpuppen sich BRUTUS Streckenweise als Schmalspursperrig – doch die Tendenz ist zunehmend vielversprechend.

22.03.2019
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