Brutal Truth - Evolution Through Revolution

Review

BRUTAL TRUTH back in. Groß Hintergrund liefern muss man hier nicht, die Anhänger kennen sie, schätzen sie; alle anderen, wissen zumindest um ihre Platten. Wichtig ist nur: Sie sind zurück. Auf ihrer ersten Full-length primär noch eine amtliche NY-Death-Metal-Combo mit lediglich einem Faible für Blastbeats, entwickelten sie auf ihrer zweiten Platte „Need to Control“ wilde Lärm- und Sounderuptionen, die Grindcore gänzlich neu akzentuierten und perspektivierten, ein rotes X auf einer verwaschenen Landkarte. Das, was an ihnen beschreibbar wäre, ist heute vielleicht nicht unbedingt mehr reizvoll. Dennoch sind ihre Reize unerreicht, der Charakter der Musik einmalig. Man munkelte und liebte. Legendisierte: Wie würden gerade also sie, deren grober Soundpurismus auch in den Kreisen eines avancierten US-Alternative-Indie-Kontext so viel Respekt genießt, auf all das reagieren, was in diesen elf Jahren im unbegrenzten Niemandsland Grindcore so geschehen ist?

Nun, sie haben vor allem das, was sie schon bei ihren ersten Alben Anfang der 90er so besonnen unverwechselbar gut gemacht hat, „Sounds of the Animal Kingdom“ als losen Ausgangspunkt nehmend, weiterverfolgt. Wenn irgendeine Band in der Lage ist, sowas wie ein next plateau zu erreichen, gleichzeitig aber die alte Ernsthaftigkeit und eine komplette Absorption der Extreme-Gewinne der letzten Jahre zu garantieren, dann BRUTAL TRUTH.

Flächige, verfeedbackte und distortete Gitarrenschraffuren, flankiert von geschickten sägenden Riffkaskaden in einer Art Thrash-Jazz gehaltenen, eigenartig deplazierten Zappa-Humoreske, fiebrige Bassläufe, zu schnellen, fein ziselierten Rhythmen, oft aber bis zur Unkenntlichkeit überlagert, dann die immer unerwarteten Breaks, ohne niemals Selbstzweck-Breaks zu sein: hinter jeder Wendung steckt eine handfeste Überraschung. Logische SIEGE-Heavyness wird hier immer wieder durch entweder diesen stoischen POISON-IDEA-Punk-Beat, der eh schon klassisch BRUTAL-TRUTH ist, oder durch rostig gewordene Ex-Metal-Riffs, an deren aktiven Dienst in der Army sich aber niemand erinnert, ersetzt; entropische Momente, unstet, vertrackt, fragmentarisch, dabei aber immer präzise; undurchschaubar und dennoch extrem eingeschworen. Der Sound der ganzen Platte ist modern, laut, etwas überfrachtet, aber immer das Offensichtliche betonend.

Käme man auf die Idee, Genres wie Metal, Grind, Hardcore-Punk (das THE-MINUTEMEN-Cover „Bob Dylan Wrote Propaganda Songs“), Southern-Drone (wie in „Semi-automatic Carnation“), AmRep-/SST-Noise („Detached“) und Spuren von freien Musiken („Get a Therapist…Spare the World“, „Powder Burn“) über die Distanz von zwanzig Stücken miteinander zu vereinen, dann käme man vielleicht annähernd an die brodelnde Brisanz dieser Platte heran, Extreme in bunten Facetten. Und trotzdem würde man alleine schon Mangels einer Stimme wie derer Kevin Sharps scheitern, die markant das hektische musikalische Treiben dominiert: röhrend und verstörend, als ob er sich nur von Hirschen ernähren würde, abgekämpft, grantig und krakelig, die Stimme erinnert aber auch an Mike Pattons cartoonig-schräge Anfälle in einer ureigenen Wucht der Zerstörung. Sharp ist auch heute noch zweifelsohne der Grand Monsieur des Genres.

Sich zu „Evolution through Revolution“ nur ein „abgefahren“ einfallen zu lassen, Zitate und Dekonstruktionen zu hören, wäre trübe, nicht nur wegen des wilden Excitements, des Spaß, den die Musik macht, sondern weil hier mit großer Pose verhackstückt, mit Enthusiasmus und Showmanship musiziert wird. Dat is dat jeile an der Platte: BRUTAL TRUTH bemühen sich, so viel wie möglich in Einheiten von ein bis zweieinhalb Minuten explodieren, und dennoch ihren wuchernden Irrsinn ass kicken zu lassen. Dass man höchst Kompliziertes in höchst simpler Form einschließen, Brüche und Unebenheiten inszenieren, ohne sich plakativ um die eigenen Achsen zu drehen, viele sekundenbruchstückhafte Details zu einer einzigen tödlichen abwechslungsreichen Kirmes organisieren kann, ist gesichert; wer „Sounds…“ kennt, weiß, dass das bestens funktionieren kann.

Für das Genre selbst stellen BRUTAL TRUTH gewiss erneut eine Herausforderung dar – für alle anderen auch. Insofern muss man konstatieren: Zusammengenommen ist das Vokabular dieses Albums eine Abrechnung mit und zugleich Lobpreisung von Grindcore, so eigensinnig und bizarr und gleichzeitig stimmig und in sich geschlossen, ja man kann es so nennen: von Grund auf gelungen. Was soll man auch zu einer neuen Platte von Leuten sagen, die sowieso kaum falsch liegen können. So klingt es, wenn man das einzige Richtige tut. Und das eben richtig gut. Natürlich verpflichteten Relapse Records das Kollektiv wieder vom Fleck weg, denn scheinbar nirgends könnten sie besser untergebracht sein, als bei dem Label, das mit Bands wie TODAY IS THE DAY und UNSANE schon oft genug Hörgewohnheiten und Genreklischees verschoben hat.

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13.04.2009

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2 Kommentare zu Brutal Truth - Evolution Through Revolution

  1. eisen sagt:

    Also auch wenn ich nicht die Gabe besitze mich so Auszudrücken wie der Mensch welcher das Review verfasst hat, möchte ich mich doch dessen Worte anschliessen.
    Eine unfassbare Scheibe ich liebe Grind seid Terrorizers World Downfall, wie damals 1989, bin ich völlig weggeblasen von dieser Langrille…
    Pflichtscheibe für Genrefreunde!!!

    10/10
  2. sickman sagt:

    Ziemlich schwache Platte. Beschissener Sound, Songwriting zum einpennen und selbst die isntrumentale Leistung ist nicht überzeugend. Klingt als wenn das Teil mal eben zwischen zwei Joints eingehämmert wurde. Lustlos, dahingeklatscht und langweilig. Es fehlen die Momente und das, was diese Band einst ausmachte. Sorry, aber das hier kann mittlerweile jede zweitklassige Grindcombo besser…

    4/10