Brutal Truth - End Time

Review

Ähnlich zerfahren wie ihre Klangwelt mutet auch die Veröffentlichungspolitik der New Yorker Grindcore-Veteranen BRUTAL TRUTH an: Trotz einer zwischenzeitlichen Nichtexistenz von acht langen Jahren ist das von Jason P.C. produzierte und von Scott Hull (PIG DESTROYER, AGORAPHOBIC NOSEBLEED) gemasterte „End Time“ neben mehr als einem ganzen Dutzend EP- und Split-Veröffentlichungen immerhin schon das sechste Album der 1990 ins Leben gerufenen Band, das zweite nach der Wiederformierung im Jahre 2006.

Nach wie vor lärmt das Quartett so vehement und hektisch, dass man die immer noch vorhandene Energie der nicht mehr ganz so jungen Herren um den ehemaligen ANTHRAX-Bassisten Dan Lilker, der mittlerweile strammen Schrittes auf die 50 zugeht, honorieren muss: Kevin Sharp krakeelt – wenn auch nicht mehr ganz so abartig tief grunzend und hoch schreiend wie zu „Need To Control“-Zeiten – wie ein übereifriger Pfarrer seinen Missmut von der Kanzel herunter, Erik Burke rifft sich verfeedbackt und distortet an vor Menschenmassen überquellenden Straßen und stinkenden Industriekomplexen vorbei, während Richard Hoak das Ganze mit seinen Blasts und vertrackten Rhythmen unterfüttert.

Die Mehrheit der Stücke bleibt deutlich unterhalb der Zwei-Minuten-Grenze, doch das reicht den zahlreichen Grind-Wütern wie „Simple Math“, „Small Talk“, „Swift And Violent (Swift Version)“ oder „Killing Planet Earth“ locker, um den Hörer niederzukämpfen: Furiose Attacken implodieren in Sekundenbruchteilen, nur um einen Augenblick später wieder von anderswo frenetisch anzustürmen. Trotz scheinbar unkontrollierter Aggression transportieren die Nummern fast immer auch einen ansteckenden Groove, eine gewisse Lockerheit, einen Rock-And-Roll-Vibe. Von diesen kurzen und knackigen Wutklumpen heben sich die drei eingangs, mittig und am Ende der Scheibe platzierten, jeweils mehr als dreiminütigen „Malice“, „Warm Embrace Of Poverty“ und „Drink Up“ mit gedrosseltem Tempo ab, könnten eine Mischung aus dem schleppenden, dreckigen Death Metal auf AUTOPSYs „Mental Funeral“ und späten CELTIC FROST/TRIPTYKON sein. Beim annähernd 16-minütigen Feedback-Finale „Control Room“ glaubt man zwar tatsächlich, in einem solchen zu stehen, aber die Geräuschorgie erweist sich nach den fordernden knapp 40 Minuten zuvor schlicht als mindestens zehn Minuten zu lang.

BRUTAL TRUTH wissen, was sie wollen. So ist ihr chaotisches Getrümmer zwischen Grindcore, Death Metal und Noise stets die passende Vertonung der nach wie vor kritisch beäugten, sich immer schneller drehenden Welt, die uns im Gewühl ihrer mannigfaltigen Reize, Möglichkeiten und Pflichten kaum noch zur Ruhe kommen und mitunter nur noch orientierungslos und dem Wesentlichen entfremdet umherirren lässt. So klingt auch „End Time“ wieder, als hätte man ein riesiges Aufnahmegerät im Weltall platziert und 54 Minuten lang das milliardenfache Gezeter und den Irrsinn auf Mutter Erde mitgeschnitten. Einprägsam im Sinne von „eingängig“ ist das Album dabei bis auf wenige Ausnahmen – das ungewöhnlich melodische „Addicted“ – natürlich nicht, vielmehr überzeugt es durch die erwähnte Beschwingtheit, die trotz der extremen Ausrichtung allgegenwärtig ist. „End Time“ kann sich in puncto Intensität zwar nicht mit „Need To Control“, dem Opus magnum der New Yorker, messen und ist weder progressiv noch spektakulär genug, um den Grindcore auf eine neue Stufe zu hieven, dennoch ein mindestens gutes, seinen Vorgängern „Sounds Of The Animal Kingdom“ und „Evolution Through Revolution“ qualitativ ebenbürtiges Werk.

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13.09.2011

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2 Kommentare zu Brutal Truth - End Time

  1. Matthias sagt:

    Auch wenn ich dadurch als ewig Gestriger erscheine: Für mich war immer Scott Lewis der einzige Drummer, der den ursprünglichen Spirit von BRUTAL TRUTH (für damalige Verhältnisse) innovativ wiedergegeben hat. Als Hoax kam, ging sehr viel Qualität an den Kesseln flöten. Er ist unsicher im Timing, hat stellenweise katastrophale Leistungen abgeliefert („Sounds Of The Animal Kingdom“) und blastet wie ein Drum-Anfänger. Der Sound des neuen Albums ist recht einfach gehalten, ok, kann ich mit leben, man kennt ja auch schlimmeres (zB die unsägliche „Proberaumaufnahme“ von „Sounds Of…“). Die Songs an sich sind nach wie vor Durchschnitt. Nix dolles. Und als Referenzalbum von BRUTAL TRUTH würde ich persönlich eher das Debüt „Extreme Comditions Demand Extreme Responses“ nennen. Das war noch richtig amtlich auf die Mütze! Als die damals rauskam, haben wir jedenfalls alle über diesen wahnsinnigen Speed gestaunt. Heute staune ich eher, wie schwach auf der Brust BRUTAL TRUTH mittlerweile klingen…

    6/10
  2. Hans-Hubert sagt:

    Ganz schön in die Irrelevanz verschwunden, die Band. Und uhh, Lilker schaut übel aus…