Im Jahr 1989 war die Welt für Mexikaner in Kalifornien alles andere als okay, was ein Haufen berüchtigter Drogenbarone zum Anlass nahm, die Death-Grind-Band BRUJERIA zu gründen und das Schicksal ihrer Landsleute zu beschreien. Sie verpassten sich kryptische, spanisch-aztekische Pseudonyme und ließen hinter maskierten Gesichtern ihren Frontmann „Brujo“ in so krudem, wie brutalem „Castellano“ über Pablo Escobar und Rassismus philosophieren. So zumindest lautete einst eines der Gerüchte über BRUJERIA.
Gar so exotisch ist das Lineup am Ende nicht, zumindest scheinen sich keine echten bekennenden Drogenbosse in der langen Liste der (angeblich?) Beteiligten zu finden. Macht nix, denn hinter Namenskreationen wie „El Cynico“ oder „Hongo“ stehen überaus klangvolle Realnamen wie Jeff Walker (CARCASS) oder Shane Embury (NAPALM DEATH). Von 1993 bis 2000 veröffentlichten BRUJERIA drei Studioalben und verbargen dabei in ihrer wechselnden Besetzung weitere Größen wie Billy Gould (FAITH NO MORE), Raymond Herrera oder Dino Cazares (beide FEAR FACTORY), um nur ein paar zu nennen. Das Debütalbum „Matando Güeros“ landete auf manchem Index und „Brujerismo“ aus dem Jahr 2000 gilt Vielen als Klassiker.
16 Jahre sind vergangen und die Zeit ist reif
16 Jahre Zeit haben sich BRUJERIA nun für ein Nachfolgealbum gelassen. „Pocho Aztlán“ wurde in dieser Zeit in unterschiedlichen Studios aufgenommen und am Ende von Russ Russel (NAPALM DEATH, THE EXPLOITED) in seine finale Form gegossen. Der Titel setzt sich zusammen aus „Pocho“, einer nicht unbedingt wohlwollenden Bezeichnung der Mexikaner für ihre in den USA geborenen (eben nicht:) Landsleute, sowie aus „Aztlán“, dem sagenumwobenen gelobten Land der Azteken. Frontmann Juan Brujo kennt sich aus, mit dem Spagat zwischen mexikanischen Wurzeln, die längst gekappt sind, und der wenig warmen Einstellung mancher Mitglieder der weißen Kultur in seiner nordamerikanischen Heimat – ein Thema, das in Zeiten der Präsidentschaftskandidatur eines Donald Trump aktueller nicht sein könnte. Entsprechend brachten BRUJERIA (zu Deutsch: Hexerei) im April 2016 die Single „Viva Presidente Trump!“ heraus – ein inzwischen teilweise vergriffener Vorgeschmack auf „Pocho Aztlán“, auf dem der Track nun gar nicht vertreten ist.
Brujeria klingen angepisst – aber manchmal zu glatt
Aber auch ohne die lyrisch wie grafisch sehr eindeutige Single aus dem Frühjahr glaubt man „Brujo“ zu jeder Zeit, dass er fürchterlich angepisst ist. Der Titeltrack eröffnet die Scheibe zunächst mit rituellem Sprechgesang und entfesselt dann eine wuchtige Haudruff-Atmosphäre, die von Juan Brujos markantem Sprechgebrüll ebenso gekennzeichnet ist, wie von Death-Klängen aus der Garage. BRUJERIAS Mix aus Death mit viel Grind, spanischen Texten und einer rohen, punkigen Härte bildet auch auf „Pocho Aztlán“ den roten Faden. Dabei wirkt das Album besser produziert als sein Vorgänger – die volle Lautstärke der Anlage im Wohnzimmer lohnt sich, wir hören keinen Matsch und die zerstückelte Genese des Albums merkt man der Scheibe allenfalls an, wenn man davon weiß. Allerdings geht dieser Luxus auch ein wenig auf Kosten der emotionalen Griffigkeit, denn trotz der meisterlich entfesselten Rage in Brujos stimmlicher Darbietung, plätschert „Pocho Aztlán“ auch immer wieder da, wo es eigentlich krachen sollte und wirkt an mancher Stelle eben doch zu glatt. Beibehalten haben BRUJERIA sich ihre eigenwillige Mischung aus politischer Ansage (z.B. „Angel De La Frontera“ („Grenzengel“)), Songs über die mexikanische Drogenmafia (z.B. „Plata O Plomo“ („Geld oder Blei“)) und bissigem Sarkasmus („Culpan La Mujer“ („Sie geben der Frau die Schuld“)). Einen wirklichen Kracher haben die Mexi-Amerikaner indes nicht im Gepäck. „No Aceptan Imitaciones“ ist so eingängig, dass es nach dem zweiten Durchlauf nervt, Tracks wie „Profecia Del Anticristo“, „Satongo“ oder das bereits 2008 erschienene „Debilador“ entfachen jeweils ihren eigenen Charme, bleiben aber ungefragt auch nicht lange im Kopf. Auch das DEAD KENNEDYS Cover „California Über Aztlán“ („California Über Alles“) ist ein gelungener Abschluss – aber keine Granate.
Ein Album, das einfach Spaß macht
Dessen ungeachtet hat BRUJERIAS viertes Studioalbum einen hohen Unterhaltungswert – „Pocho Aztlán“ ist nicht wirklich gut, nicht wirklich überraschend und ich erkenne auch keine spannende Weiterentwicklung im Vergleich zu „Brujerismo“. Aber „Pocho Aztlán“ macht tierisch Spaß, ein richtig knackiges Grind-Sommeralbum, zu dem man sich im viel zu heißen September 2016 einen Tequila Sunrise mixen und auf dem Balkon fürchterlich abspacken kann.
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